Die Mauern des Universums - Melko, P: Mauern des Universums - The Walls of the Universe
ließ den Zigarrenstummel auf die Betonstufen fallen und trat ihn mit dem Fuß aus. Auf dem Boden lag bereits ein halbes Dutzend solcher Stummel. »Aber das wäre schon sehr dumm.«
»Ja, das wäre wirklich dumm, nicht? Aber wie Sie ja wissen, muss ich mich nebenbei noch um mein Physikstudium und um meinen Job kümmern. Und eigentlich habe ich auch noch ein Privatleben.« John schloss die Tür auf und überlegte einen Moment, Charboric gar nicht erst hereinzulassen, doch dadurch würde er sich nur noch verdächtiger machen. Während er seinem Besucher die Tür aufhielt, meinte er fast, das Gerät durch den Stoff des Rucksacks zu spüren.
»Wieso geben Sie sich überhaupt mit der veralteten Physik dieser Welt ab?«, fragte Charboric. Ohne zu antworten, stieg John die Treppe hinauf und öffnete die Wohnungstür. »Das ist doch Zeitverschwendung.«
John ließ den Rucksack lässig von der Schulter gleiten, ging ins Schlafzimmer und legte ihn vorsichtig hinter das Bett. Bevor Charboric ihm folgen konnte, trat er wieder in den Flur. »Wie lange sind Sie jetzt schon hier? So um die fünfzig Jahre?« Charboric nickte. »Und wie lange haben Sie noch vor zu leben? Ich rechne mir jedenfalls keine besonders großen Chancen aus, hier jemals wieder wegzukommen.«
Charboric ließ die Augen auf John ruhen und nickte ernst. »Sie haben begriffen, was Visgrath manchmal vergisst.« Für einen Moment wirkte er fast verletzlich.
Gegen seinen Willen spürte John einen Anflug von Mitleid. »Physik ist Wissenschaft. Selbst wenn sich die Inhalte der Wissenschaft verändern, bleibt die Philosophie dahinter dieselbe.«
»In der Tat. Aber fehlt einem nicht manchmal die Geduld für solch langwierige Studien?«
»Wissen ist Macht.«
»Macht ist Macht.«
John zuckte mit den Schultern.
Nach kurzem Schweigen wechselte Charboric das Thema. »Visgrath hat Sie über unsere Lage aufgeklärt, nicht wahr?«
»Ja.«
»So viele Jahre sind wir hier schon gefangen, in der verzweifelten Hoffnung auf Rettung … Aber diese Strategie wollen wir jetzt nicht hinterfragen. Immerhin konnten wir uns in der Zwischenzeit einen gewissen Luxus verschaffen, und zwar durch die Ausbeutung des Wissens, das wir … mitgebracht hatten.«
»Tauchausrüstungen, zum Beispiel.«
»Nur leider beschränken die hiesigen Gesetze die Dauer, für die wir unsere Ideen ausbeuten können.«
»Sie sprechen von Patenten.«
»Ja. In diesem Universum beträgt die Patentdauer nur zwölfeinhalb Jahre.«
»Aber Sie können die Produkte doch immer noch vermarkten, nachdem das Patent abgelaufen ist.«
»Der meiste Profit lässt sich durch ein Monopol erzielen. Danach verkaufen wir die Patente mitsamt den entsprechenden Unternehmensbereichen. Für eine Konkurrenzsituation fehlt uns die Geduld.«
»Und jetzt gehen Ihnen langsam die Ideen aus.«
»Ja. Auch wenn unsere Gemeinschaft mit der Zeit erheblich über das ursprüngliche Dutzend hinaus angewachsen ist.«
»Daher Ihr Interesse an den Flipperautomaten.«
»Natürlich wussten wir sofort, dass es sich um eine Technologie aus einem anderen Universum handeln musste. Zugleich sind wir sehr erfahren in der Ausbeutung derartiger Technologien. Die Investitionsentscheidung war nur logisch.«
»Und auf Konkurrenz haben Sie schließlich keine Lust.«
»Sagen wir es so: Es war eine strategische Entscheidung.« Charboric lächelte John zu. »Im Gegensatz zu uns befanden Sie sich noch vor kurzem an der Hauptlinie. Eine Zusammenarbeit mit Ihnen würde beiden Seiten die Möglichkeit bieten, Ihr Wissen optimal zu nutzen.«
»Aber ich bin noch ziemlich jung. Ich weiß nicht besonders viel.«
»Sie werden überrascht sein! Ihr ganzes Leben lang waren Sie von einer hoch technisierten Welt umgeben. Es gibt Hunderte, ja wahrscheinlich Tausende von Erfindungen, die hier Gold wert sind, so alltäglich und langweilig sie dort drüben auch erscheinen mögen.«
Langsam gingen John die Gegenargumente aus. »Ja, aber dort drüben war alles so … anders.«
Charboric wischte den Einwand mit einem Kopfschütteln weg und zog ein kleines Notizbuch mit Spiralbindung aus der Jacketttasche, an dem ein Bleistift befestigt war. »Tragen Sie das hier immer bei sich. Schreiben Sie alles auf, was Ihnen in den Sinn kommt. Sie werden merken, die Ideen kommen in den unmöglichsten Momenten: beim Autofahren, unter der Dusche oder auf dem Klo. Sie müssen nur mitschreiben.«
»Äh … Na gut.« Als John das Notizbuch entgegennahm, bemerkte er hinten am
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