Die Mauern des Universums - Melko, P: Mauern des Universums - The Walls of the Universe
besuchen, kam John an Caseys Wohnheim vorbei. Er hielt auf einem nahen Pendlerparkplatz und war eine Sekunde lang drauf und dran, rüber in die Vorhalle zu laufen und Casey auf ihrem Zimmer anzurufen.
Stattdessen wandte er sich ab und ging zum Physikgebäude.
Nach der Vorlesung über den Drehimpuls starrer Körper blieb John unwillkürlich erneut vor der Benchley Hall stehen. Es war gleich fünf. Wahrscheinlich lernte Casey gerade oder war auf dem Weg zum Abendessen. Wenn er wirklich mit ihr hätte reden wollen, hätte er es vor der Vorlesung probieren sollen. Jetzt war es zu spät.
»Was für ein Idiot ich doch bin«, flüsterte John und machte einen Schritt in Richtung seines Wagens.
»John?«
Er drehte sich um. Casey stand drei Meter hinter ihm auf dem Gehsteig, begleitet von zwei anderen Studentinnen, die er nicht kannte. Die beiden Mädchen musterten ihn neugierig.
»Hi, Casey«, brachte John mühsam hervor.
»Was willst … Wie geht es dir so?«, fragte sie.
Er zuckte die Achseln. »Viel zu tun.«
»Hab davon gehört. Grace hält mich auf dem Laufenden, und ich verpasse keinen Artikel in der Zeitung.«
Johns Kopf lief über vor Wörtern, aber er fand kein einziges, das ihm jetzt passend erschien. Die beiden Freundinnen, die ihn so beäugten, als wäre er eine exotische Kröte, waren dabei keine große Hilfe. »Äh …«
»Ja?« Casey blickte ihn erwartungsvoll an.
»Wollen wir vielleicht … was essen gehen?«
Eine der Freundinnen räusperte sich. »Casey, du wolltest doch …«
»Ist schon okay, Sheryl«, schnitt Casey ihr das Wort ab, ehe sie John zunickte. »Gehen wir.«
Casey die Wahrheit zu sagen, war viel einfacher, als John gedacht hatte. Noch einfacher war es, am nächsten Morgen in seinem Apartment neben ihr aufzuwachen.
»Ich hab nicht gesagt, dass ich dir glaube«, erklärte Casey und stützte sich auf einen Ellbogen.
»Und warum bist du dann hier?«
»Weil du offensichtlich selbst daran glaubst. Und weil du denkst, ich hätte dich wegen deiner Geheimniskrämerei verlassen.«
»War es nicht so?«
»Doch, doch. Ich muss mir nur noch über eins klarwerden: Was für einen Unterschied es macht, ob man interdimensionale Reisen oder aber eine paranoide Wahnvorstellung von interdimensionalen Reisen verheimlicht.«
John verzog das Gesicht. »Grace und Henry glauben mir.«
»Natürlich. Intelligente Menschen verhalten sich manchmal unglaublich irrational. Und wahnsinnige Menschen können unglaublich intelligent sein.«
»Wir haben doch das Gerät. Mittlerweile haben wir es sogar geöffnet. Du kannst dir gerne anschauen, wie es da drinnen ausschaut.«
»Aber funktioniert es auch?«
»Ja.«
»Können Grace und Henry das bezeugen?«
»Ähm … Nein. Aber ich habe es selbst erlebt.«
»Deine eigenen Beobachtungen sind also dein einziger Beweis.«
»Charboric und Visgrath kennen sich auch damit aus.«
»Und wer kann deine Gespräche mit den beiden bezeugen?«
»Ähm … Niemand.«
»Ahnst du langsam, in welchem Dilemma ich hier stecke?«
»Eigentlich nicht.«
»Kann ich dich lieben, auch wenn du ein Psychopath bist?«
»Aber ist Paranoia wirklich eine Psychose? Ich dachte immer, das sei eher eine Neurose. Und hat nicht jeder seine kleinen Neurosen?«
»Tut mir leid, aber ich denke, sein ganzes Leben einer einzigen Wahnvorstellung zu verschreiben, fällt doch eher ins Gebiet der Psychose.«
»Immerhin hat sie ziemlich viel Geld eingebracht, diese sogenannte Psychose.«
»Ach, die Flipper gehören auch zu deiner Psychose? Ich dachte immer, das sei einfach eine gute Idee gewesen, die du wegen deines Minderwertigkeitskomplexes anderweitig begründen musstest.«
»Ich hab keinen Minderwertigkeitskomplex. Ganz im Gegenteil, meiner Meinung nach bin ich in den meisten Sachen ziemlich überragend.«
Casey lachte. »Na ja. Jedenfalls bist du für einen Psychopathen ziemlich attraktiv.«
»Siehst du? Also hab ich keinen Grund, mich minderwertig zu fühlen. Ich bin nicht so klein wie Napoleon. Ich hab gute Noten an der Uni. Ich bin Teilhaber einer rasant wachsenden Firma. Und ich hab einen überdurchschnittlich großen … Du weißt schon.«
»Woher willst du das wissen? Das Letzte?«
»Ich hab wissenschaftliche Artikel gelesen. In wissenschaftlichen … Zeitschriften.«
»Meinst du die mit den bunten Bildchen und den Postern zum Ausklappen?«
»Nein. Die mit den schwarz-weißen Balkendiagrammen. Mit vielen, sehr vielen Balkendiagrammen.«
Casey lachte wieder und setzte sich
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