Die Mauern des Universums - Melko, P: Mauern des Universums - The Walls of the Universe
machte keine Anstalten, ihn am Kragen zu packen oder seine Hand zu ergreifen. Er sah zu, wie Carson einen Meter vor ihm mit den Armen um sich schlug, aber nur immer weiter in Rücklage geriet. Bis er schließlich wie in Zeitlupe nach hinten kippte und krachend die Treppe herunterfiel.
Casey tauchte hinter Prime auf. »Was ist passiert?«
»Er … Er wollte …«
»Hast du ihn geschubst? Hast du ihn die Treppe hinuntergeschubst?«
Gemeinsam blickten sie nach unten, wo Carson lag, ohne sich zu rühren. Jeweils zwei Stufen auf einmal nehmend, eilte Casey die Treppe hinunter und kniete sich neben ihm
hin. Nach kurzem Zögern streckte sie eine Hand aus und legte sie Carson an die Halsschlagader.
»Fass ihn nicht an!«, schrie Prime von oben.
Casey starrte zu ihm hinauf. »Mein Gott, was hast du nur getan? Was hast du getan?«
»Was soll das heißen? Er hatte eine Waffe in der Hand! Das war Selbstverteidigung! Außerdem war es ein Unfall!«
»Aber er ist nicht bewaffnet!«, brüllte Casey schrill. »Und jetzt ist er tot!«
»Tot?« In Prime stieg Übelkeit hoch. Wirklich tot?
»Ja, tot! Du hast einen Menschen umgebracht, John. Du hast Ted Carson umgebracht. Du kommst ins Gefängnis!«
»Nein.« Prime stolperte zurück, bis er an den Tisch prallte. »Nein, nein, nein.«
»Und was soll ich dann ohne dich tun? Wie stellst du dir das vor?« Caseys Stimme verfolgte ihn.
»Aber er hatte ein Messer!« Plötzlich war sich Prime nicht mehr so sicher. Fieberhaft versuchte er, sich zu erinnern: Carson hatte mit irgendetwas an der Tür gekratzt. Er hatte etwas in der Hand gehabt.
Prime sprang vor die Wohnungstür und ließ sich auf die Knie fallen. Wo war das Messer? Wo?
Hier nicht.
Er krabbelte auf die Treppe, suchte sie Stufe für Stufe ab. Hier auch nicht.
Er stieg über den leblosen Körper und durchforstete den Treppenabsatz. Nichts.
Schließlich kniete er sich neben Carson hin und betrachtete ihn von allen Seiten. Unter dem rechten Bein glitzerte etwas Metallisches.
Primes Herz setzte aus. Er stand auf und versetzte dem Körper einen Stoß mit dem rechten Fuß, so dass Carson auf die Seite rollte.
Auf dem Boden lagen Carsons Autoschlüssel.
Es war aus. Binnen Sekunden hatte er es geschafft, dieses Leben, sein einziges Leben, zu zerstören. Er wusste nicht, ob er sich verzweifelt, wütend oder hilflos fühlte. In seinem Kopf breitete sich eine große Leere aus.
»John.«
Caseys Stimme riss ihn aus seiner Betäubung. Sie stand neben ihm, vor der Haustür. Prime starrte sie einen Moment lang ratlos an, bevor er einen Fuß auf die Treppe setzte. Weg hier, dachte er. Einfach nur weg hier.
»Halt.«
Er spürte Caseys Augen in seinem Nacken und wandte sich um.
Ihr Blick war hart. »Komm, pack ihn unter den Armen und zieh ihn rauf, in die Wohnung.«
»Was?«
»Tu es einfach!«
Wie in dichtem Nebel beugte Prime sich zu dem massigen Körper hinab, packte ihn unter den Achseln und schleifte ihn über die Stufen in die Wohnung. Eine Spur schleimigen Blutes, durchsetzt von Urin, führte von der Eingangstür bis ins Wohnzimmer.
Schon stand Casey hinter ihm. »Auf die Fliesen. Lass ihn nicht auf dem Holzboden liegen.«
Gehorsam zerrte er die Leiche auf den gefliesten Bereich vor der Kochnische. Während er halb hypnotisiert verfolgte, wie sich die grauen Kacheln langsam rot färbten, verschwand Casey im Bad. Eine Sekunde später kehrte sie mit Putzmitteln und Papierhandtüchern zurück, kniete sich hin und fing an, den Boden zu schrubben.
»Geh duschen«, sagte Casey über die Schulter.
»Ich kann doch jetzt nicht …«
»Mach schon!«
»Aber was … was hast du vor?«
»Ich gehe davon aus, dass Carson niemandem von seinem Besuch bei uns erzählt hat. Ich gehe davon aus, dass niemand den Lärm gehört hat. Und ich gehe davon aus, dass du von jetzt an alles tust, was ich dir sage.« Casey fixierte ihn. »Denn das ist unsere einzige Chance.«
Kurz darauf fand sich Prime in der Dusche wieder. Er zog sich bis auf die Haut aus, stellte das Wasser siedend heiß und schrubbte sich von oben bis unten ab. Die Blutflecken an Armen und Händen musste er besonders eingehend behandeln.
Als er den Duschvorhang zurückzog, war seine verschmutzte Kleidung verschwunden. An ihrer Stelle lagen ein einfaches weißes T-Shirt und Jeans.
Frisch angezogen öffnete er die Badezimmertür. Bis auf Carsons Leiche war die Wohnung leer. Am Kühlschrank hing eine Notiz: »Bin gleich zurück. Casey.«
Es roch nach Bleichmittel und
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