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Die Mauern des Universums - Melko, P: Mauern des Universums - The Walls of the Universe

Titel: Die Mauern des Universums - Melko, P: Mauern des Universums - The Walls of the Universe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Melko
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rein.«

    Gemeinsam zerrten sie Carson die Treppe hinunter, darauf gefasst, dass sich jeden Moment eine Tür öffnen und ein irritierter Nachbar fragen würde, was zum Teufel sie da trieben. Doch sie hatten Glück: Dieses eine Mal herrschte um ein Uhr morgens im ganzen Wohnblock Totenstille.
    Hastig klappte Prime den Kofferraum auf, wuchtete den leblosen Körper mit Caseys Hilfe hoch und legte ihn zwischen Ersatzreifen, Pornomagazinen und einer Ausrüstung für die Bogenjagd ab. Nachdem Casey den Kofferraum behutsam geschlossen hatte, blieben sie noch einige Sekunden stehen und musterten die dunklen Fenster der Straße. Aber es war nichts zu sehen, nichts zu hören. Leise drang aus der Ferne das Heulen einer Sirene zu ihnen herüber.
    »Komm, steig ein und fahr los«, sagte Casey schließlich.
    Prime setzte sich hinters Steuer und legte hastig den Rückwärtsgang ein.
    »Schön langsam«, ermahnte ihn Casey.
    »Schon gut.«
    »Verlier jetzt bloß nicht die Nerven.«
    »Wo fahren wir überhaupt hin?«
    »Zu deinen Eltern.«
    »Meinen Eltern?«
    »Frag nicht. Tu’s einfach.«
    Prime nickte und lenkte den Wagen Richtung Süden. Die Straßen waren leer, nicht ungewöhnlich in einer Donnerstagnacht. In ganz Findlay hatte man die Gehsteige hochgeklappt. Bisher war ihnen nicht einmal eine Polizeistreife begegnet. Prime hoffte nur, dass Carson nicht wegen unbezahlter Strafzettel registriert war. Jetzt rausgewunken zu werden, wäre denkbar ungünstig.
    Als sie es aufs Land geschafft hatten, kurbelte Prime das Fenster herunter, damit die kalte Oktoberluft den Gestank aus dem Wageninneren vertrieb. An der Windschutzscheibe
zerplatzten Fliegen und Falter. Er sah zu Casey hinüber, doch sie blickte starr geradeaus.
    Schließlich tauchte die Einfahrt zu Primes Elternhaus vor ihnen auf. »Halt hier an.« Casey war aus ihrer Starre erwacht. »Fahr nicht rein.«
    Sobald Prime auf dem gekiesten Seitenstreifen gehalten hatte, nahm Casey ihm die Schlüssel ab, ging zum Kofferraum und öffnete ihn. Mit vereinten Kräften hievten sie die Leiche auf das Gras am Rande der Rayburn-Farm, gleich neben der Baumgruppe, in der Prime Johnny Farmer zum ersten Mal begegnet war.
    Casey warf ihm die Schlüssel zu. »Entsorg das Auto im Steinbruch. Kurbel die Fenster runter, mach den Kofferraum auf und schieb die Karre über die Kante. Aber mit Schwung, damit sie nicht auf dem Weg nach unten hängen bleibt.«
    Prime blickte sie entgeistert an. »Hast du so was schon mal gemacht?«
    »Natürlich nicht. Aber ich lese Krimis, oder? Also mach schon!«
    Sprachlos stieg Prime wieder ein und fuhr los. Im Rückspiegel sah er noch, wie Casey die Leiche in Richtung der Bäume schleifte.
    Obwohl der Steinbruch direkt auf der anderen Straßenseite begann, musste Prime einen kleinen Umweg machen, da die Zufahrt an der Brubaker Road lag. Glücklicherweise kannte er sich hier aus. Früher hatte er viel Zeit damit verbracht, den Steinbruch zu erkunden.
    Als er vor dem Maschendrahttor ankam, verlor er kurz den Mut: Um die beiden Torflügel war eine Kette gewunden. Doch bei genauerer Betrachtung stellte er fest, dass die Kette gar nicht mit einem Schloss verriegelt, sondern nur lose drapiert war. Also schob er das Tor auf und steuerte den Wagen hindurch. Er hoffte nur, dass sich diese Nacht keine Jugendlichen hier versammelt hatten, um abzuhängen und
Bier zu trinken. Sicherheitshalber fuhr er an den beiden beliebtesten Treffpunkten vorbei, konnte aber keine Menschenseele entdecken.
    Er lenkte den Wagen bis an den Rand des Abgrunds. Hier war die oberste Erdschicht abgetragen; der Granit glänzte silbern im Mondlicht. Mit einem Kloß im Hals schaltete er die Scheinwerfer aus, legte den Leerlauf ein, kurbelte sämtliche Fenster herunter, öffnete den Kofferraum und warf die Schlüssel auf den Vordersitz. Danach stellte er sich hinter das Auto und schob. Zuerst wollte es sich keinen Zentimeter bewegen, so dass er kurz in Panik geriet. Was, wenn der Wagen feststeckte? Doch dann rutschte er ein Stückchen nach vorne – und noch ein Stückchen, und noch eins. Nach und nach geriet der Wagen in Schwung und rollte immer schneller auf den Abgrund zu.
    Nachdem Prime seine ganze Kraft in einen letzten Schubser gelegt hatte, kippte der Wagen über die Kante und segelte in die Tiefe.
    Eine Sekunde später hallte ein lautstarkes Platschen von den Wänden des Steinbruchs wider. Noch schwamm das Auto, aber schon stiegen Luftblasen aus seinem Inneren auf. Sekunde um Sekunde sank es

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