Die Mauern des Universums - Melko, P: Mauern des Universums - The Walls of the Universe
schneller, bis nur noch die Rücklichter zu sehen waren und schließlich gar nichts mehr. Zur Sicherheit wartete Prime, bis sich das Wasser beruhigt und der Wagen seine lange Reise zum Grund angetreten hatte.
Der Steinbruch war hundert Meter tief. Niemand würde das Auto je finden.
Als Prime endlich ausatmete, war ihm, als hätte er die Luft minutenlang angehalten. Die Hälfte hatten sie geschafft. Er drehte sich um und rannte los, über den weißen Granit, der bald grünschwarzen Flechten wich, gefolgt von Unkraut, das ihm gegen die Unterschenkel schlug.
Die Straße war verwaist. Prime blieb stehen und lauschte. Totenstille.
Hastig überquerte er die Straße. Vor der Böschung hielt er inne. »Casey?«
Keine Antwort.
War womöglich eine Streife vorbeigekommen und hatte sie gefragt, was sie da mit der Leiche anstellte? Oder war Ted Carson wieder zum Leben erwacht und hatte sie erwürgt? Prime unterdrückte ein panisches Lachen.
Im gleichen Moment hörte er rieselnde Erde.
So schnell er konnte, kämpfte er sich durch einen Busch wilder Brombeeren. Da war sie: Casey, auf einer winzigen Lichtung inmitten eines halben Dutzends von Bäumen, mit einem Spaten in der Hand und einer flachen Grube vor sich. Neben ihr lag die Leiche – still und steif und nach wie vor sehr tot.
Auf dem Boden entdeckte Prime einen weiteren Spaten. Als er ihn aufhob, wurde ihm klar, dass Casey die Scheune seiner Eltern geplündert haben musste, um an die Werkzeuge zu kommen: zwei Spaten und eine Spitzhacke.
»Hast du das Auto verschwinden lassen?«, fragte sie sofort.
»Erledigt.«
»Sehr gut.«
»Casey?«
»Was ist?«
»Danke, dass du das für mich tust.«
Sie ließ den Spaten sinken und starrte ihn an. »Ich tue es für uns.«
»Glaub mir, es tut mir so leid, dass ich dich enttäuscht habe. Wir hätten kein Kind bekommen sollen, bevor …«
»Sei still, John.«
»Bitte, Casey, hör mir zu.« Prime kam ins Schwitzen. »Ich bin nicht der, für den du mich hältst.«
»Ich denke, wir haben beide heute Nacht so einiges über den anderen gelernt.«
»Das meine ich nicht. Ich bin nicht John Rayburn. Ich stamme nicht … aus dieser Welt.«
Casey stieg aus der flachen Grube, die sie gegraben hatte. Prime übernahm für sie und schaufelte weiter.
»Was soll das heißen, ›nicht aus dieser Welt‹?«, fragte Casey, während sie sich den Schweiß von der Stirn wischte. »Dass du ein Außerirdischer bist? Oder was?« Ihre Stimme wurde immer schriller.
»Nein! Natürlich bin ich ein Mensch. Ich bin nur … aus einer anderen Welt. So ähnlich wie diese, aber anders.«
»Was willst du damit sagen?«
So erzählte Prime seine Geschichte, während er Ted Carsons Grab aushob. Er fing ganz am Anfang an, begann damit, wie er seinem eigenen John Prime begegnet war, der ihn überredet hatte, das Gerät zu benutzen – und damit unwissentlich sein Leben aufzugeben. Auch von Oscar und Thomas berichtete er. Und von den vielen Toden, die er beinahe gestorben wäre. Er erzählte ihr von seinen glorreichen Plänen und Ideen und ließ auch nicht aus, dass er Johnny Farmers Leben gestohlen hatte.
Am Schluss stand Prime einen halben Meter tief in der Erde, während Casey ihn immer noch anstarrte, völlig reglos, den Spaten in der Hand.
»Wann war das genau?«, wollte sie nach einer kurzen Pause wissen.
»Was?«
»Dass du mit meinem John die Plätze getauscht hast.«
»Etwa vor einem Jahr.«
Casey hob drohend den Spaten. »Bitte sag mir, dass das war, bevor wir …«
»Ja! Um Himmels willen, ja! Er hatte noch nicht mal mit dir geredet! Damals, bei dem Mittagessen in der Kirche, das war ich!«
Sie atmete hörbar aus und nahm den Spaten wieder herunter. »Dann bist du mein John. Dann war er nie mein John.«
»Aber er war zuerst hier, das ist sein …«
»Er hat kein einziges Mal mit mir gesprochen! Er kannte mich überhaupt nicht.«
»Aber …«
»Und deine ganzen großartigen Ideen – alle gestohlen!« Casey lachte schallend.
Prime runzelte kurz die Stirn, bevor er in ihr Lachen einstimmte. »Hast Recht. Ich bin nichts als ein mieser, kleiner Dieb.«
Sie sprang zu ihm ins Grab und rammte ihren Spaten in die weiche Erde. »Ich bin froh, dass du der bist, der du bist.«
»Casey …«
»Komm! Graben wir.«
Letztendlich gelang es ihnen, ein Grab auszuheben, das einen Meter tief und eineinhalb Meter lang war. Casey zog Carson aus und warf seine Brieftasche in die Grube. Dann rollte Prime die Leiche hinein. Als er die kalte Haut
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