Die Maurin
fieberfrei war, übergab ihr die Botschaft, die er für seinen Bruder verfasst hatte. »Ich habe ihm alles so beschrieben, wie wir es besprochen haben. Er soll morgen früh als maurischer Händler verkleidet mit einem abgedeckten Wagen in die Stadt kommen und sich mit Euch um die Mittagszeit an der großen Pinie treffen, damit Ihr ihn herführen könnt. Die Nacht verbringen wir noch hier, und am Morgen sehen wir dann zu, wie wir hier rauskommen.«
Zum wiederholten Male beschrieb er Zahra bis ins letzte Detail Jaimes Pferd. »Und wenn Ihr Euch nicht ganz sicher seid, dann kommt lieber unverrichteter Dinge zurück, als die Botschaft dem falschen Pferd unter den Sattel zu schieben!«
»Das hätte ich sowieso getan«, erwiderte Zahra brüsk.
»Es geht mir nur um Eure Sicherheit«, erwiderte Gonzalo sanft.
Zahra biss sich auf die Lippen. »Entschuldigt, ich weiß.«
Sie wandte sich ab, damit er nicht sah, dass ihr Tränen in die Augen drangen. Mit einem Mal hatte sie das Gefühl, dass alles über ihr zusammenstürzte: Ibrahim, der Tod ihrer Mutter, die Erkenntnis, dass Gonzalo verheiratet war, Hayats Weggehen … Sie hoffte nur, dass Miguels und Hayats Liebe die Schwierigkeiten und Ablehnung, die ihre Verbindung bei den Christen hervorrufen würde, unbeschadet überstehen konnte. Während die Mauren zumindest die Ehe von muslimischen Männern und christlichen Frauen tolerierten, lehnten die Christen jedwede Verbindung zwischen Christen und Muslimen ab, und was man über diesen Torquemada und seine Jagd auf die c
onversos
hörte, ließ wenig Hoffnung zu, dass ihre Halbschwester von den Christen wohlwollend aufgenommen werden würde. Zahra flehte den Allmächtigen an, Miguel und Hayat beizustehen und seine schützende Hand über ihre Liebe zu halten. Für Hayat zumindest, das war ihr klar, würde das Ende von Miguels Liebe auch ihr eigenes bedeuten.
Zahra ermahnte sich, dass jetzt nicht der Moment zum Zaudern war. Sie wischte sich über die Stirn, atmete tief durch und tauschte mit geübten Handgriffen ihren Hidschab gegen den der Amme.
»Pass auf dich auf«, rief Hayat, und Gonzalo sagte ihr mit seinem drängenden Blick das Gleiche.
Zahra nickte den beiden zu und trat auf die Straße.
Zahra wusste nicht, wie viel Zeit ihr blieb, um ihre Botschaft an Ort und Stelle zu bringen. Ali al-Attar war im Umgang mit den Christen für große Launenhaftigkeit bekannt: Schon mehr als einmal hatte er Gesandte der christlichen Könige, kaum dass sie seinen Palast betreten hatten, auch schon wieder zum Teufel gejagt. Da der Ruf der Fanfaren schon lange verklungen war, musste Jaime längst im Palast sein.
Je näher Zahra Ali al-Attars Palast kam, umso mehr Menschen drängten sich in den Gassen. Alle hatten einen Blick auf den Gesandten und seine Begleiter erhaschen und sehen wollen, wie sie vor ihrem Herrn zu Kreuze krochen, und hofften jetzt darauf, nach dem Ende der Verhandlungen einen zweiten, noch hämischeren Blick auf sie werfen zu können. Als sich ein vierschrötiger Bauer an ihr vorbeidrängte, um in die vorderen Reihen zu gelangen, und ihr einen derben Rippenstoß verpasste, wollte Zahra ihm empört hinterherschimpfen, aber im letzten Moment fiel ihr ein, dass sie derzeit nur eine nichtswürdige Bettlerin war. Mit gesenktem Blick schob sie sich durch die Menschen und gelangte nach etlichen weiteren Rippenstößen zu dem Stall Ali al-Attars. Da in dem großen Hoftor zwei Stallburschen standen – auch sie warteten wohl gespannt auf den Ausgang der Verhandlungen –, stahl sich Zahra durch die Nebentür zu den edel aufgezäumten Pferden der Christen. Sie sah sich im Stall um und stellte aufatmend fest, dass sie allein war.
Aufmerksam schritt sie die lange Reihe der christlichen Rösser ab. Es waren etliche Rappen unter ihnen, doch keiner, auf den die Beschreibung von Jaimes Hengst gepasst hätte. Schließlich entdeckte sie den pechschwarzen Araberhengst ein Stück abseits von den anderen Pferden. Zahra schloss daraus, dass nicht nur die Stallburschen, sondern auch die anderen Pferde Furcht vor dem schwarzen Teufel hatten. Lautlos schlich sie sich im Rücken der Stallburschen auf die andere Stallseite.
Als sie auf Barbakan zuging, warf der Hengst den Kopf hoch und scharrte angriffslustig mit den Hufen. Mehr als Angst empfand Zahra Bewunderung für das prächtige Tier. Auch ihr Vater besaß nur Araber, und alle waren edelster Abstammung, aber vor so einem prachtvollen Wesen hatte sie noch nie gestanden. Beruhigend
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