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Die Maurin

Die Maurin

Titel: Die Maurin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Korte
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vor Augen zu führen, wie sich die christliche Hölle anfühlt. Mit einem dieser Maurenhunde habe ich ohnehin eine Rechnung offen. Vielleicht habe ich ja das Glück, ihm dort zu begegnen!«
    Alle blickten zu Isabel. Die Entscheidung über das weitere Vorgehen lag allein bei ihr. »Ja, wir werden den Mauren ein paar Proben unserer Waffenkunst liefern, und wenn wir Portugal besiegt haben, werden wir uns ihrer annehmen!«
    Auf ein Handzeichen von ihr erhoben sich die Männer und zogen sich mit Ausnahme von Talavera zurück. Beim Hinausgehen warf Gonzalo ihm einen um Unterstützung bittenden Blick zu. Er wusste, wenn überhaupt, dann konnte nur er die Königin jetzt noch zu einem friedlichen Weg bewegen, aber so entschlossen, wie sie eben geklungen hatte, würde er mehr als nur seine Überzeugungskraft aufbieten müssen, um sie noch umzustimmen. Gonzalo musste wieder an die Szene im Löwenhof denken und nahm sich vor, die Königin bei ihrem nächsten Gespräch unter vier Augen über die wahren Umstände dieser Beleidigung aufzuklären – und ihr zum wiederholten Male vor Augen zu führen, dass die Mauren nicht schlechter, sondern einfach nur anders als die Christen waren und dass vieles, was sie taten, nachvollziehbare Reaktionen auf ihre eigenen Provokationen waren. Mit einem Mal musste er an das maurische Mädchen mit diesen bestürzend blauen Augen im Löwenhof denken – und ihm wurde gleichzeitig warm und bang.

4.
    Granada
    Oktober 1478
    Z ahra bewunderte die feinen Muster, mit der ihre Mutter den Kissenbezug bestickte. »Wo Ihr nur immer diese Ideen hernehmt«, seufzte sie und warf einen unzufriedenen Blick auf ihre eigene Stickarbeit. Im gleichen Moment stürzte Raschid in den Hof und blieb schwer atmend vor ihnen stehen.
    »Beim Allmächtigen!« Leonor sprang auf und lief zu ihrem Sohn. »Was ist?«
    »Deborahs Dorf …« Raschid rang nach Luft. »Die Christen …«
    Leonor stieß einen spitzen Schrei aus. Einen Atemzug später stürzte Abdarrahman aus seinem Arbeitszimmer. »Was ist passiert?«
    Raschid wandte sich zu ihm um. »Vater, wir müssen sofort Deborahs Dorf zu Hilfe eilen. Eben kam ein Bote. Die Christen haben dort ein wahres Massaker angerichtet!«
    »Tamu, sag Zubair, er soll ein Dutzend Pferde satteln lassen«, befahl Abdarrahman. »Und Raschid, du stellst einen Trupp mit erfahrenen Soldaten zusammen. Falls sich die Christen noch immer im Dorf aufhalten, müssen wir gewappnet sein. Nimm auch Baschir und Uthman mit. Ihre Familien leben dort!«
    Zahra legte ihr Stickzeug zur Seite und trat zu ihrem Vater. »Bitte, Vater, nehmt auch mich mit!«
    »Wo denkst du hin?« Mit einer ungehaltenen Handbewegung wandte sich Abdarrahman von seiner Tochter ab und eilte davon.
    Ohne zu zögern, ließ sich Zahra von einer der Dienerinnen ihren Schleier und einen Hidschab holen und befahl der jungen Frau, Zubair, dem Leibdiener ihres Vaters, hinterherzulaufen und ihm zu sagen, dass auch für sie ein Pferd vorbereitet werden solle. Noch ehe ihr Vater den Stall betrat, war sie dort.
    »Was, zum Teufel, hast du hier zu suchen?«, herrschte Abdarrahman sie an. »Lernst du es denn nie zu gehorchen?«
    »Vater, bitte, es gibt sicher Verletzte, und Ihr wisst, wie viel ich von Tamu über die Kunst des Heilens gelernt habe!«
    »Zahra könnte allerdings nützlich sein.« Raschid trat vor seinen Vater. »Schließlich ist Deborahs Vater der einzige Arzt im Dorf, und wenn ihm etwas zugestoßen ist …« Er brachte es nicht fertig, den Satz zu beenden.
    »Und daran, dass auch deiner Schwester etwas zustoßen könnte, denkst du nicht?«, donnerte Abdarrahman, machte aber keine weiteren Anstalten, Zahra am Mitkommen zu hindern. Erleichtert bestieg Zahra ihr Pferd und ritt hinter ihrem Bruder aus dem Stall hinaus.
     
    Endlich hatten sie den letzten Hügel überwunden. Als die Männer die dicken, schwarzen Rauchfahnen über dem in der Ebene liegenden Dorf aufsteigen sahen, drosselten sie ihr Tempo und blieben schließlich stehen. »Beim Allmächtigen«, stöhnte Baschir. »Meine Eltern, meine Schwestern …«
    Zahra sah zu ihrem Bruder. Starr und wie festgefroren blickte Raschid auf den Ort hinunter. Auch Zahra krampfte es das Herz zusammen. Trotzdem versuchte sie, ihn zu beruhigen. »Der Allmächtige hat Deborah sicher beschützt!«
    Raschid biss die Zähne zusammen und schlug seinem Pferd so heftig die Fersen in die Flanken, dass es aus dem Stand in Galopp verfiel. Zahra und die anderen preschten ihm nach. Die dem Ort

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