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Die Maurin

Die Maurin

Titel: Die Maurin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Korte
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vier am Abend zugeteilt bekommen, und der Rest der Stadtbevölkerung muss zusehen, wo er bleibt. Nicht die Christen, sondern wir haben keine Vorräte mehr!«
    El Zegri erblasste. »Das ist nicht Euer Ernst!«
    »Leider doch, aber im Siegesrausch haben die Leute es nicht schlechter aufgenommen, als hätte er ihnen gesagt, ab sofort bekämen sie keinen Nachtisch mehr.«
    »Aber … aber vielleicht können wir doch noch siegen. Meine Informanten haben mir berichtet, dass El Zegri sechs
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bemannt hat und damit die kastilische Flotte angreifen will.«
    »Was kann man schon mit schwimmenden Geschützreihen gegen eine Flotte ausrichten?« Jaime schüttelte den Kopf. »Und im Gegenzug haben die Christen hölzerne Türme gebaut, die sie auf Rädern fortbewegen können und von denen jeder tausend Soldaten fassen kann. Sie sind mit Leitern versehen, um sie von den Gipfeln der Türme zu den Spitzen der Wälle zu richten, und an diesen Leitern sind wieder andere, die man herablassen kann, damit die Soldaten in die Stadt steigen können. Auch
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habe ich gesehen, große, hölzerne, mit Häuten bedeckte Schilde zum Schutz der Stürmenden und derer, welche die Wälle untergraben. Die Christen sind hervorragend ausgerüstet. Ihr macht Euch etwas vor!«
    »Nein, aber mir sind die Hände gebunden«, stöhnte Ali Dordur. »El Zegri hat angedroht, dass er dem Nächsten, der das Wort Kapitulation vor seinen Ohren ausspricht, die Zunge herausschneiden lässt. Und unsere Boten – beim Allmächtigen, Ihr wisst doch selbst, welches Ende sie gefunden haben!«
    »Dann lasst es mich versuchen«, verlangte Jaime und weigerte sich, auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, dass er bei diesem Wagnis nicht nur El Zegris Männer zu fürchten hatte, sondern genauso die Spanier, die ihn sicher nach wie vor suchten.
    Ali Dordur sah ihn nachdenklich an. Jaime fragte sich, wie er sich an dessen Stelle entscheiden würde. Würde er einem Kastilier vertrauen? Oder würde er nicht vielmehr annehmen, der Kastilier wolle nur seine eigene Haut retten? Und so wunderte es ihn nicht, dass Ali Dordur schließlich den Kopf schüttelte.
     
    Das untätige Warten machte Jaime von Tag zu Tag nervöser. Wie ein Gefangener im Kerker lief er in ihrem Zimmer im
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auf und ab und sann vergeblich nach einer Fluchtmöglichkeit für seine Familie. Anfangs versuchte Zahra noch, ihm Mut zu machen, aber als sie in den folgenden Tagen nichts anderes in den Magen bekamen als das wenige Soldatenbrot, das Jaime mit ihnen teilte, ein paar in Öl gekochte Rebenblätter und über dem Feuer geröstete Tierhäute, für die sie überdies ein Vermögen hatten bezahlen müssen, versank auch sie in bedrücktes Schweigen. Immer wieder zog sie mit Jaime auf der Suche nach Essen durch die Stadt, aber allmählich waren alle Katzen, Hunde, Mäuse und Ratten, deren man hatte habhaft werden können, getötet und verzehrt worden, und dabei stießen sie immer öfter auf verendete alte Männer und Frauen, die einzusammeln und einem würdigen Begräbnis zuzuführen offensichtlich niemand die Kraft hatte. Als sie auf eine Mutter trafen, die dem Himmel und dem Allmächtigen laut klagend ihr an den Folgen des Hungers gestorbenes Kind entgegenhielt, brach Zahra zusammen. Schluchzend sank sie an Jaimes Schulter. »Jaime, was, wenn unsere Kinder die Nächsten sind?«
    Der nächste Tag brachte einen weiteren Tiefschlag: Zahras Milchfluss ging zurück. Schon am Morgen war Chalida kaum satt geworden, und als sie sie zur Mittagszeit anlegte, versiegte ihre Milch noch schneller. Chalida begann zu weinen, auch Abdarrahman jammerte schon seit Stunden vor Hunger. Auf einmal wollte er ebenfalls an Zahras Brust. Zahra wehrte ihn ab. »Abda, bitte, sei vernünftig. Meine Milch reicht schon nicht für Chalida, und sie bräuchte sie noch dringender als du!«
    »Ich habe aber auch Hunger!«, schrie Abdarrahman auf und trommelte in seiner Verzweiflung mit den kleinen Fäusten auf sie und Chalida ein. Hastig legte Zahra Chalida beiseite und zog ihren Sohn an sich. »Abda, beruhig dich. Das macht doch alles nur noch schlimmer!«
    Zuerst trat und boxte Abdarrahman sie weiter, dann sank er unter Schluchzen in ihren Schoß und heulte: »Aber Mama, wenn ich doch solchen Hunger habe!«
    Zahra wiegte ihn in den Armen und weinte mit ihm.
     
    Jaime kam erst am Abend nach Hause. Erneut hatte er nichts Essbares auftreiben können, und Zahra spürte, dass ihm noch mehr auf der Seele brannte.
    »Was hast

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