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Die Maurin

Die Maurin

Titel: Die Maurin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Korte
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Gonzalo tun können!«
    Wenn Ihr ahnen würdet, wie sehr ich mir das wünschte, dachte Zahra und biss sich auf die Lippen, um die Tränen zurückzuhalten. Sie räusperte sich. »Tamu behandelt solche Wunden meist mit Breiumschlägen aus Bockshornkleesamen. Wenn man es macht, solange der Strich noch kurz ist, hilft es meist, aber dieser hier ist schon erschreckend lang – und wie sollen wir hier an Bockshornkleesamen kommen?«
    Zahra tastete den Knochenbruch im Oberschenkel ab und befand, dass er kein großes Problem darstellte. Gut geschient sollte der Bruch in wenigen Wochen verheilt sein.
    »Hier scheint er noch eine Verletzung zu haben.« Miguel zeigte auf Gonzalos rechte Seite in Rippenhöhe. In der Tat war auf seinem dunkelbraunen Gambeson getrocknetes Blut zu sehen. Zahra wollte auch den Gambeson mit dem Messer auftrennen, doch Miguel hielt ihre Hand fest.
    »Wartet, den können wir ihm ausziehen. Wenn Gonzalo das hier überlebt, wird es ihm schon reichen, dass er sich eine neue Rüstung kaufen muss. Seine Frau ist zwar sehr vermögend, aber Gonzalo würde keine Goldmünze von ihr annehmen. Lassen wir ihm wenigstens seinen Gambeson!«
    Zahra zuckte zusammen. Bisher hatte sie keinen Gedanken daran verloren, dass es in Gonzalos Leben eine Frau geben könnte. Er und alles, was für sie damit zusammenhing, war immer nur ein Traum gewesen, ein Traum, der durch ihr Wiedersehen einen winzigen Hauch Wirklichkeit bekommen hatte – doch wenn es schon eine Frau in seinem Leben gab … Zahra blickte zu Miguel und Hayat und zurück zu Gonzalo – und spürte ein heißes Brennen, das von ihrem Bauch zum Herzen zog.
    »Zahra?« Miguel sah sie fragend an. »Zahra, was habt Ihr?«
    »Nichts, nichts«, murmelte Zahra. »Gar nichts!«
    Hastig blickte sie wieder auf Gonzalos Gambeson. Vergiss deine dummen Träume, herrschte sie sich an, und sieh lieber zu, dass er dir hier nicht unter den Händen wegstirbt! Sie half Miguel, Gonzalo aus dem Gambeson zu schälen, und bat Hayat, den Kienspan näher an die Stichwunde zu halten, damit sie diese in Augenschein nehmen konnte.
    »Hier kommen wir sicher mit Hirtentäschel aus«, sagte sie anschließend. »Aber was machen wir mit seiner Wade?«
    Zahra strich sich das Haar aus dem Gesicht. Ihre Stirn war schweißnass. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass ihr Hidschab die Schultern herabgerutscht und ihr Kopf und ihr Gesicht ohne Bedeckung waren. Einen Schleier hatten sie und Hayat ohnehin nicht angelegt gehabt; die dunkle Nacht und der Hidschab schienen ihnen Schutz genug zu sein. Unwillig schleuderte sie den Hidschab neben sich auf den Boden. Wie satt sie alles hatte, ihr Leben, diese Fremdbestimmung, ihre Unfreiheit …
    »Vielleicht könnte man die Wunde ausbrennen …«, murmelte Miguel.
    »Aber das hat Zahra noch nie gemacht!«, rief Hayat entsetzt.
    »Nein. Aber irgendetwas müssen wir tun. Wir können doch nicht zusehen …« Zahra brach ab und erlebte einen Moment völliger Kopflosigkeit, der jedes logische Denken unmöglich machte. Gonzalo … seine Frau … sie rettete ihn für eine andere … würde nie aus ihrer Verdammnis herauskommen … Sie presste sich die Handballen gegen die Schläfen. Beim Allmächtigen, es gibt jetzt Wichtigeres als solche Gedanken, die ohnehin zu nichts führen, ermahnte sie sich. Da fiel ihr etwas ein. »Letztes Jahr hat Tamu in eine üble, schon schwärzlich verfärbte Bauchwunde Maden gelegt«, dachte sie laut und nickte dann. »Ja, das könnte gehen! Der Verletzte damals – einer von Vaters Soldaten – hatte auch schon den Todesstrich. Ich weiß nicht mehr genau, was Tamu dazu erklärt hat, aber auf jeden Fall haben die Maden bewirkt, dass die Wunde innerhalb weniger Tage wieder eine normale Farbe angenommen hat und der Strich zurückgegangen ist. Die Wunde ist erstaunlich schnell und sauber abgeheilt. Später sagte Tamu noch, dass man das besser auch bei dem anderen Soldaten gemacht hätte, dem dann das Bein abgenommen werden musste, aber Vater ja immer mehr Vertrauen zu seinen teuren Ärzten als zu ihr habe. Versuchen wir es!«
    Hayat sah sie entgeistert an. »Meinst du das im Ernst?«
    Miguel aber pflichtete ihr bei: »Ja, von so einer Behandlung habe ich auch schon einmal gehört. Aber wo sollen wir die Maden herbekommen?«
    »Auch das weiß ich!« Zahra sprang auf, schnappte sich ihren Hidschab und lief ohne weitere Erklärung davon. Als Ali al-Attar sie zu ihrem Notquartier gebracht hatte, war ihr unweit ihres Häuschens eine

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