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Die Maurin

Die Maurin

Titel: Die Maurin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Korte
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stumm umarmte.
    Zahra mahnte sich zur Eile und zog ihr Messer aus ihrem Ärmel hervor. Der junge Soldat neben Gonzalo verstand sofort, was sie vorhatte, und straffte das Seil, mit dem Gonzalos Hände an dem langen Strick über ihnen angebunden waren, zwischen seinen Händen, um es ihr leichter zu machen. Als das Seil durchgeschnitten war, fielen Gonzalos Hände kraftlos herab. Zahra fasste ihn an der Schulter, doch er kam auch jetzt nicht zu sich. Sie versuchte, ihn wach zu rütteln, doch alles, was sie damit erreichte, war, dass er aufstöhnte. Zahra lief zu Miguel und befreite auch ihn von seinen Fesseln.
    »Ihr müsst mir helfen, Gonzalo wegzubringen«, flüsterte sie ihm zu.
    »Woher kennt Ihr seinen Namen?«, wisperte Miguel.
    Zahra legte sich einen Finger auf die Lippen und winkte ihm und Hayat zu mitzukommen. Miguel und Zahra legten sich Gonzalos Arme über die Schultern und hievten ihn mit Hayats Hilfe vom Boden hoch. Gonzalo wimmerte. Besorgt sah Zahra zu den Wachen, doch sie hatten sich nicht gerührt. Dann schob sich erneut eine dicke Wolke vor den Mond.
    Gonzalos Gewicht wog so schwer auf Zahras Schulter, dass sie das Gefühl hatte, von ihm in den Boden gedrückt zu werden, und kaum einen Fuß vor den anderen brachte. Überdies verursachten Gonzalos Füße auf dem Pflaster ein Schleifgeräusch, das Zahra laut wie Donnergrollen erschien.
    »Was sollen wir nur tun?«, zischte sie Miguel zu.
    »Wartet, ich trage ihn allein!«
    Sie blieben stehen, und Hayat und Zahra halfen Miguel, sich den bewusstlosen Gonzalo auf die Schultern zu laden. Wieder stöhnte Gonzalo auf, dann auch Miguel, und dies so vernehmlich, dass Zahra zusammenzuckte.
    »Gott, steh uns bei!«, flehte sie stumm.
    Dann, endlich, hatte Miguel Gonzalo richtig gepackt. Mit schweren Schritten schleppte er den Freund an der langen Reihe der Gefangenen vorbei, bis sie die Hausecke erreichten und in einer Seitenstraße verschwinden konnten. Nur wenige Schritte weiter sackte Miguel keuchend gegen eine Hauswand. »Ich kann nicht mehr. Mein Arm …«
    Zahra und Hayat sprangen bei und halfen ihm, Gonzalo zu Boden gleiten zu lassen. Als Zahra dabei über Miguels Arm strich, spürte sie, dass warme Flüssigkeit herabrann. Sie zurrte seine Armbinde fester, um die Blutung zu stoppen.
    »Wie weit müssen wir Gonzalo denn tragen?«, keuchte Miguel.
    »Nur bis um die nächste Straßenecke«, beruhigte Zahra ihn.
    »Meint Ihr, wir können Gonzalo noch einmal zusammen nehmen?«
    Zahra nickte, und Hayat half ihnen, Gonzalo wieder hochzuwuchten. Als sie das kleine Haus erreicht hatten, ließen sie den Bewusstlosen auf den Fußboden gleiten, und Miguel und Zahra sanken erschöpft neben ihn. Hayat zündete einen Kienspan an. Als sich Zahra nun umsah, wurde ihr mit einem Mal bewusst, dass die Wachsoldaten vielleicht die Stadt nach den entflohenen Gefangenen absuchen würden, und fand ihr Versteck mit einem Mal so jämmerlich schlecht, dass ihr ganz elend wurde.
    Gonzalos Stöhnen zwang Zahra zurück in die Gegenwart. Ob die Wachen sie nun suchen würden oder nicht – zunächst musste sie sich darum kümmern, dass Gonzalo nicht an seinen Verletzungen starb. Sie bat Hayat, mit dem Kienspan zu leuchten, hob die blutverklebten Stofffetzen und Kräuter von Gonzalos Beinverletzung und sog entsetzt die Luft ein.
    »Was ist?«, rief Miguel und rückte näher zu ihr.
    »Hier, seht selbst …«
    Miguel sah auf die tiefe, rund um den Unterschenkel verlaufende Verletzung und stieß einen Schwall Luft aus. »Allmächtiger! Das sieht ja aus, als sei da jemand mit der Axt reingefahren. Wahrscheinlich ist die Rüstung durch die Last des Pferdes gebrochen und hat ihm ins Fleisch geschnitten. Ich frage mich nur, wie sie sein Bein überhaupt aus der Beinröhre herausbekommen haben, ohne es ihm dabei abzureißen.«
    »Und seht diese bläulich-schwärzlichen Verfärbungen …« Zahra zeigte ihm die absterbenden Wundränder und die dunkle Rötung, die sich darum gebildet hatte. Sie nahm ihr Messer, schnitt den Beinling bis zum Oberschenkel auf und fand auf Gonzalos Haut das, was sie befürchtet hatte: einen roten Strich, den Tamu den Todesstrich nannte und der sich von der Wunde bis fast zu den Leisten hochzog. Sie stieß einen Schwall Luft aus.
    »Was ist das?«, fragte Miguel sie leise.
    »Eine solche Linie tritt häufig bei solch tiefen Wunden auf. Die Kranken bekommen dann heftiges Fieber; viele sterben binnen weniger Tage an Wundbrand.«
    »Aber Ihr werdet doch noch etwas für

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