Die Mausefalle
entdeckt, aber da die alten Stollen voll Wasser und Füllmaterial waren, schlugen alle Versuche, zum Grund der Ader vorzustoßen, fehl. Viele Gesellschaften schickten ihre Leute hin. Ein riesiges Gebiet wurde durchwühlt, aber den großen Preis gewann keiner. Doch dann fand der Vertreter einer dieser Firmen die Spur einer chinesischen Familie, die angeblich noch Aufzeichnungen über die Lage der Mine besaß. Das Familienoberhaupt war ein gewisser Wu Ling.«
»Was für eine romantische Geschichte in den nüchternen Annalen der Wirtschaft«, warf ich ein.
»Nicht wahr? Ach, mon ami, es gibt Romanzen auch ohne goldblonde Damen von einzigartiger Schönheit – nein, ich irre mich. In Ihrem Fall sind sie dunkelbraun. Erinnern Sie sich…«
»Bitte, erzählen Sie doch weiter«, sagte ich hastig.
»Eh bien, mon ami, man nahm mit Wu Ling Kontakt auf. Er war ein angesehener Kaufmann in der Provinz, in der er lebte. Er bestätigte sofort, dass er die fraglichen Dokumente besitze, und war durchaus zu einem Verkaufsgespräch bereit, aber er wollte nur mit den Leuten verhandeln, die etwas zu sagen hatten. Mit niemand sonst. Schließlich wurde vereinbart, dass er nach England kommen solle, um die leitenden Direktoren einer großen Gesellschaft zu treffen.
Wu Ling reiste mit der Assunta, die an einem kalten, nebligen Novembermorgen in Southampton anlegte. Einer der Direktoren, Mr Pearson, fuhr nach Southampton, um ihn abzuholen, aber wegen des Nebels hatte der Zug sehr viel Verspätung, und als er schließlich zum Hafen kam, hatte Wu Ling das Schiff schon verlassen und war mit dem Bootszug nach London unterwegs. Mr Pearson ärgerte sich ziemlich, denn er wusste nicht, wo der Chinese übernachten wollte. Später am Tag wurde jedoch im Büro der Gesellschaft angerufen. Wu Ling wohnte im ›Russell Square Hotel‹. Er war von der Reise etwas ermüdet, sagte aber, dass er durchaus in der Lage sei, am nächsten Tag an der Verwaltungsratssitzung teilzunehmen.
Die Sitzung fand um elf Uhr statt. Als es nach halb zwölf und Wu Ling noch immer nicht da war, rief der Sekretär im Hotel an. Er erhielt die Auskunft, dass der Chinese gegen halb zehn Uhr mit einem Freund weggegangen sei. Es schien klar zu sein, dass er das Hotel mit der Absicht verlassen hatte, zur Sitzung zu kommen, doch der Vormittag verstrich und er tauchte nicht auf.
Es konnte natürlich sein, dass er sich verlaufen hatte, da er London nicht kannte, nur – auch am späten Abend war er noch nicht wieder im Hotel. Nun war Mr Pearson höchst beunruhigt und übergab den Fall der Polizei. Am nächsten Tag fand man von dem Vermissten immer noch keine Spur. Erst gegen Abend des zweiten Tages fischte man eine Leiche aus der Themse, die, wie sich herausstellte, der unglückliche Chinese war. Weder beim Toten noch in seinem Gepäck im Hotel fand man die Dokumente über die Mine.
An diesem Punkt, mon ami, wurde ich zu Rate gezogen. Mr Pearson besuchte mich. Obwohl er über Wu Lings Tod tief erschüttert war, galt seine Hauptsorge doch der Wiederauffindung der Papiere, der Grund, warum der Chinese nach England gekommen war. Das Hauptanliegen der Polizei war natürlich, den Mörder zu finden – die Papiere waren für sie erst in zweiter Linie wichtig. Was er von mir wollte, war, mit der Polizei zusammenzuarbeiten und gleichzeitig die Interessen der Gesellschaft zu vertreten.
Ich willigte sofort ein. Mir war klar, dass ich auf zwei Gebieten operieren musste. Einerseits konnte ich mich unter den Angestellten der Firma umhören, die von dem Besuch des Chinesen gewusst hatten, andererseits unter den Mitreisenden auf dem Schiff, die vielleicht von seinem Vorhaben gewusst hatten. Ich fing beim zweiten Teil an, weil das Suchgebiet begrenzter war. Dabei kam ich mit Inspektor Miller in Berührung, der den Fall bearbeitete – ein Mann, der völlig anders war als unser Freund Japp, eingebildet, unhöflich und ziemlich unerträglich. Gemeinsam befragten wir die Schiffsoffiziere. Sie hatten wenig zu erzählen. Wu Ling war auf der ganzen Reise ziemlich für sich geblieben und hatte sich nur mit zwei Passagieren angefreundet – der eine war ein Europäer, eine verkrachte Existenz namens Dyer, der anscheinend einen ziemlich schlechten Ruf hatte, der andere ein junger Bankangestellter namens Charles Lester, der aus Hongkong zurückkehrte. Wir hatten Glück und ergatterten von den beiden ein Foto. Damals schien es wenig Zweifel daran zu geben, dass, falls einer von den beiden in die Geschichte
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