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Die Maya-Midgard-Mission

Die Maya-Midgard-Mission

Titel: Die Maya-Midgard-Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Sieberichs
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Großen Sturm nichts zu spüren. Die Fragen häuften sich. Um endlich Antworten zu erhalten, musste sie die Bücher finden. Je schneller, desto besser für alle.
    Daria schauderte. Entschieden verscheuchte sie aufkommende Gefü hle von Verlust und Trauer, die Erinnerung an ihre Kinder, an ihr Team in Yukatan. Spielerisch ließ sie eine Handvoll kühler Sandkörner zwischen ihren Fingern zerrinnen und fand eine Erdnuss. Sie alleine würde das Schicksal der Welt nicht ändern. Sinnlos zu grübeln, wenn man nicht weiß worüber, versuchte sie sich zu beruhigen.
    »Schau nur auf die 4!« raunte Stimmchen ihr zu. »Und vergiss bloß deine Nummer 1 da neben dir nicht.«
    Fahl huschten die Schatten des verendenden Tages über den langsam abtrocknenden Schlickboden, von dem noch niemand wi ssen konnte, ob er eine dauerhafte Landbrücke bilden würde.  
    Daria knackte die Nussschale und kostete vorsichtig. Immer noch schweigend bot sie Domnall die Hälfte ihres Fundes an. Über ihnen raschelten die Blätter des Kapokbaumes leise in den linden Abendwi nden. Die Krone des Riesen war kaum vom Großen Sturm zerzaust. Sie bot Schutz wie eh und je, war Dach und Heim und Höhle für eine Vielzahl von Kleinstlebewesen. Die hatten überlebt. Wie sie. Daria gähnte herzhaft. Es bedeutete ihr sehr viel, für einen Moment nicht dem zerrissenen Grau des Himmels, der Tristesse und Schlaflosigkeit der letzten Tage ausgesetzt zu sein. Den mächtigen Organismus, an den sie sich lehnte, empfand sie als ein ermutigendes Symbol des Lebens. Das gefurchte und vernarbte Holz strahlte Wärme und Energie aus. Eine Kraft, die sich keinem Unwetter beugte, die fest im Boden verwurzelt unbeirrt dem Himmel entgegenstrebte. Doch was nach außen hin hart und unnachgiebig sämtlichen Mächten trotzte, war im Inneren ein stetes Rauschen. Wieder meinte sie, das sanfte Auf und Ab der Säfte wahrzunehmen. Auf seinen bizarr geformten Ästen, die in wilden Bögen und Spiralen manchmal zickzackförmig gen Himmel wuchsen, hatte sich über Jahrzehnte – wahrscheinlich aber über Jahrhunderte – Erde abgelagert; fruchtbare Erde, auf der Gräser, Halme und Moose wucherten, sogar mehrere kleine Palmen gediehen und nach dem Großen Sturm wie zu allen Zeiten geschäftige Ameisen Städte bauten und Läuse melkten, Käfer und Spinnen siedelten, Pilze wucherten. Eine verirrte Seespinne suchte – wie ihr Klammern bewies – beharrlich Unterschlupf in dieser ehernen Miniwelt.
    " Ach Dom", sagte Daria und rückte noch enger an den weißhaarigen Hünen heran. "Wusstest du, dass dieser Kapokbaum für die Maya der Mittelpunkt der Erde, das Symbol des Lebens ist? An den Wurzeln klettert der Mensch bei seiner Geburt hinauf zur Erde, an den Ästen nach seinem Tode zum Himmel empor. Menschen, die missgebildet waren oder im Baby- und Kindesalter starben, labten sich an den 800 Nippeln eines solchen Baumes, um sich so für ihre Wiedergeburt zu stärken. Das Mark, die Blätter, die Rinde, alles heilige Zutaten für Hippolytes Süppchen. Ich glaube, die Gloriola, der hiesige Wunderbaum, ist ein anderes Kind der Familie. Wahre Geschenke der Götter. Nicht unbedingt Nektar und Ambrosia, aber ganz ordentlich, findest du nicht?"
    " Hmmpf", machte der Pater. "Das mit dem alten Pergament würde ich lieber vertiefen. Vom Paradies sind wir nämlich noch ein ziemliches Stück entfernt."
    Daria lächelte und legte ihre Hände wieder auf seinen nackten Unte rarm. "Eitel Melchior Federmann war zwar Jurist, aber später wurde er ein Seher. Und als solcher hat er behauptet, dass die Auroren das Paradies sind. Wir müssen nur richtig hinsehen."
    " Vielleicht meinte er, dass sie es eines Tages werden können, das Paradies, meine ich. In gewisser Weise erleben wir ja gerade unsere Wiedergeburt. Vielleicht könnte man sogar sagen, dass wir die »missgebildeten« Kinder unserer Zivilisation und Zeit sind und die Auroren unser Nuckelbaum..."
    " Vielleicht!", erwiderte Daria und spürte das Spiel der Muskeln unter seiner warmen Haut. "Falls Federmann Recht behält, sollte es uns gelingen, uns an dem Geist der Auroren aufzurichten. Er spricht von einer Reinigung. Ich denke, er meint einen spirituellen Reifeprozess, den wir durchlaufen werden."
    Der Pater entzog Daria seinen Arm, nahm aber ihre Hand in seine. "So weit sind wir noch nicht. Noch lange nicht. Ich meine, es ist gerade mal vier oder fünf Tage her, dass die meisten von uns nichts weiter als ein bisschen Ablenkung und Erholung von ihrer

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