Die Maya-Midgard-Mission

und klanglos zu verschwinden. Du verlangst von mir, um deiner katholischen Sache wegen, meine Lebensaufgabe aufzugeben, meine Überzeugungen deinem Glauben zu opfern, beschimpfst mich im gleichen Atemzug als Werkzeug des Teufels, der dich in Versuchung führt, flehst mich an, die Überlebenden zu überzeugen, dass dies alles hier eine Prüfung des Herrn für seine abtrünnigen Schäfchen ist, setzt mich unter Druck, diese armen, verlorenen Seelen zu leiten, dass sie nicht auf ewiglich verloren sind, verführst mich in einem unterirdischen See, schläfst mit mir am Strand, bezichtigst abwechselnd dich und mich der Bigotterie, verschwindest wortlos für Tage und kommst zurück in Gesellschaft eines durchgeknallten Drogenbarons, der droht unsere Wasserquelle zu vergiften, falls wir ihm nicht ein Schiff ausrüsten und als ob das nicht mehr als genug wäre, fängst du nun wieder mit Liebe an.' Ach Dom, ich weiß nicht. Ich weiß wirklich nicht..."
    " Wie gut, dass Träume keine Realität sind", sagte Domnall ziemlich kleinlaut.
    "Da bin ich nicht so sicher", erwiderte Daria. "M ir sind diese paar Tage wie Jahre. Wie drei Leben. Und diese drei Leben bereiten mir gerade ziemlich zwiespältige Gefühle."
    "Ich liebe dich. Du bist mir nähe r als mein Glaube, du berührst meine Seele, wie sie kein Mensch je berührt hat. Ich möchte dich nicht teilen, mit niemandem, auch nicht mit Gott. Deshalb will ich mich für dich entscheiden. Für dich ganz allein."
    "Ich weiß nicht, ob du das Richtige tust, Dom. Ich bin bestimmt kein einfacher Mens ch. Unser Leben hier ist alles andere als paradiesisch..."
    " Ja, das stimmt… Ich… "
    " Schau mal, das Licht flackert wie eine brennende Kerze, die im Durchzug steht. Nein, sieht eher aus wie ein Feuer, ein Waldbrand oder so..."
    " Auf alle Fälle kein Sonnenuntergang", sagte Domnall und löste sich sanft von Daria. Er erhob sich, streifte seine Hosen hoch, wölbte die Hände wie ein Fernglas um die Augen und blinzelte angestrengt in die Ferne. "Muss ein riesengroßes Feuer sein..."
    Daria dachte an das Feuer vom Vorabend, als sie die Lichtung vom Schutt der Ferienhütten und der Villa Aurora geräumt hatten. Zusa mmen mit Caldera organisierte sie die Planung und Materialbeschaffung für die neuen Hütten, die Dom dann mit Wolf Martens und fast allen anderen Männern zusammen aufbaute. In der Hoffnung einen Nagel, ein Stück Holz, einen Fetzen Stoff oder wie auch immer geartete verwertbare Überbleibsel der Katastrophe zu finden, drehten Kati Martens, Britta Gustafsson, Daria, Saba und Brontë jeden Stein und jedes lose Teil zweimal um. Sie entpuppten sich als echte Sammler und Jäger und hatten sogar die Brille von Raboux wiederbeschafft, was weder dessen grimmige Laune zu bessern vermochte, noch seine Bereitschaft, sich um das Gemeinwohl verdient zu machen, erhöht hatte. Die Aureolen ignorierten ihn nach Kräften und kümmerten sich lieber um den Wiederaufbau.
    Ihr Vorratslager füllte sich langsam mit allerlei nützlichen Dingen von A - Z: Aspirin, Bikinis, Chlortabletten, Dosenfrüchte, Eimer, ein Fer nglas und ein uraltes Grammophon waren genauso vorhanden wie Pflaster, Rasierschaum oder Tampons. Es fehlte vor allem an Werkzeugen, an Medikamenten und an Lebensmitteln. Doch jeder Mangel wurde durch Fantasie und Begeisterung für die Sache ausgeglichen. Hippolyte erwies sich als begnadeter Kochkünstler und sorgte dafür, dass die ärgste Existenzangst keine Nahrung bekam. "Gib ihm ein bisschen Wasser, eine Gloriole und Feuer unterm Topf, und der Pfundskerl macht die ganze Kompanie satt", wurde Yaphet Kialu nicht müde seinen Kumpel zu loben. Ihr größtes Problem blieb das Klima und die veränderten Umweltbedingungen. Es schien, als sei jegliches tierische Leben ausgestorben. Da auch das Meer im Augenblick nicht erreichbar war, konnten sie keinen Fisch fangen. Caldera, Wolf Martens und Yaphet Kialu hatten versucht, die neue Küste zu erreichen, mussten aber nach wenigen Metern aufgeben, da sie bis zu den Hüften im Schlick versunken waren. Jetzt tüftelten sie alle an einer Lösung, um über das Meer zu gehen. Geduld und Findigkeit gewannen an Stellenwert und wurden zu wichtigen Eigenschaften auf Aurora nach der Katastrophe.
    Im Norden erhellten jetzt Blitze in allen Regenbogenfarben den schwarzroten Himmel.
    "Definitiv kein Sonnenuntergang", sagte Daria, die sich nun ebenfalls angezogen hatte und aufgestanden war. "Die Sonne geht nicht im Norden unter. Für ein Feuer ist es zu