Die Maya-Midgard-Mission
lästige Verwandte, die mir nicht immer wohlgesonnen sind. Tutu, sein Oberster Mund, auch Chefpropagandist genannt, ist eine Landplage, als ob Nofretete nicht schon Strafe genug wäre. Nun ja, kurz und gut: auch mir sind hier neuerdings Grenzen gesetzt. Ich habe keine Allmacht. Virginia, zum Beispiel, ich schulde ihr was, aber hier kann ich nichts für sie tun. Sie wurde – wie die übrigen auch – aufgrund ihrer Schönheit erwählt..."
" Okay, Caldera, ich fühle mich geehrt und jetzt spuck es aus. Du kannst mich nicht vor der Gruft hier retten, das hab ich kapiert. Aber was willst du von mir, und was bekomme ich dafür?"
" Ohoho, nicht so schnell, Teuerste! Ich kann dich vielleicht nicht vor dem ewigen Leben retten. Aber mit deinem Wissen sollte es mir gelingen, deine würdevolle, unterpyramidische Weihezeit ein wenig abzukürzen."
Daria gähnte herzhaft und versuchte den Winkel der Außenwand a bzuschätzen, und die Entfernung bis zum Erdboden.
" Du brichst dir nur den Hals", sagte Caldera trocken.
" Okay, Carlos, alle Achtung, du kannst also tatsächlich einen Teil meiner Gedanken lesen. Warum holst du dir nicht, was du brauchst, schöpfst mein Bewusstsein ab und dann Arrividerci Delfonte?"
Caldera seufzte schwer, berührte Daria ganz sachte am Ellenbogen und leckte sich die vollen Lippen. Tief in seinen Augenhöhlen spiegelte sich der Sonnenball. Für Augenblick e nur erglomm eine innere Glut – wie zwei Kohlen kurz vor dem Verglimmen.
Erst jetzt bemerkte Daria die tiefen, dunklen Ringe um die unheiml ichen Augen des ehemaligen Drogenbarons. Sie erinnerte sich an seine schnaufenden Atemgeräusche beim Aufstieg. Sollte Caldera krank sein?
" Nein, du Spekulantin, mach dir keine falschen Hoffnungen. Ich bin kerngesund. Das ist es nicht. Ich will... Nein, zuerst musst du etwas begreifen. Sicher, du kennst mich als Drogenbaron, als gefährlichen Menschen, der sich nimmt, was er braucht..."
" ...als Dieb, als Hochstapler, als Verräter, als Mörder. Soll ich fortfahren?"
" Ach, Delfonte, du Engel der Aufrichtigkeit. Was du begreifen musst, ist, dass kein Mensch so einseitig ist wie das Klischee, das du von mir zeichnest."
" Dass du selbst von dir in mindestens zwei Leben verbreitet hast, Carlos. Verlange nicht von mir, dass ich plötzlich deine edelmütige Seite schätzen lernen soll."
Caldera lachte und hustete und lachte wieder. "Nun gut, Gnädigste, ich bin abgrundtief schlecht, und ich bleibe es auch. Zugegeben! Doch dies ist jetzt mein x-tes Leben, und ich entdecke zu meiner Schande hin und wieder, nun, nennen wir es, vielversprechende Ansätze. Ich bin so eine Art Hofphilosoph und Sternengucker, na ja, und manchmal macht das sogar Spaß. Aber vielleicht hat auch die Inkarnation des Bösen eine gute Seite, auch Darth Vader hatte schließlich einen wackeren Sohn."
" Klar, Carlos, und Hitler liebte Schäferhunde. Nun pack endlich aus! W a s w i l l s t d u ?"
" Ich habe mich verirrt, du Hüterin der Moral. Ich finde es zwar manchmal ganz amüsant hier, und mein Kumpel Echnaton ist auch ein echt cooler Typ, die meiste Zeit jedenfalls, leider scheint seine Göttergattin mich auf dem Kieker zu haben. Außerdem sind die Ränkespiele und Intrigen, meine ureigenste Spielwiese, du erinnerst dich, na ja, irgendwie ist die Politik hierzulande ein bisschen antiquiert. Schwerfällig, langweilig, mühsam. Meine kreative Kompetenz kommt zu kurz. Kurzum: Ich will nach Hause. Und telefonieren geht nicht!"
Daria Delfonte hatte ihrem Widersacher aus uralten Zeiten, genau genommen aus der Zukunft, mit wachsendem Staunen zug ehört. "Du meinst das ernst, nicht wahr, Carlos? Gut, ich bin einverstanden. Aber meine Bedingung kennst du."
Caldera nickte bejahend. "Dazu muss ich keine Gedanken lesen, Gnädigste. Die Bücher sind dein, dein ganz allein. Korrekt?"
" Genau!"
Caldera und Delfonte sahen zu, wie der Sonnenball über den Hügeln von Deir el-Bahari sich zu einer Sichel verformte.
"Nun, wir haben die ganze Nacht für uns, Daria Delfonte."
" Ich verhandle nicht, Carlos Caldera. Alles oder nichts! Guck in meinen Hirnkasten. Da steht es geschrieben. In dicken fetten Lettern. Niemals verhandeln!"
" Ich akzeptiere! Also, wie kommen wir zurück? Und warum bist du mir gefolgt?"
Daria verbannte alle verräterischen Gedanken, die an ihre Zeitreise, aber besonders die an jene zarte Theorie, die seit den Erlebnissen auf Aurora und im MorgenrotLand in ihr keimte. Vor Anstrengung traten ihr winzige
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