Die Maya Priesterin
vo n Zeichen , unleserlic h un d leuchten d rot .
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»Halte t still , Herr . Nu r ein e Wund e noc h .«
Diego saß auf einem Stuhl im Privatgemach des Pferdegottprie s ters. Hernán tänzelt e u m ih n herum , da s rote Hütche n au f de m Bor s tenschop f . Mit weichem Pinsel tupfte er ih m Tinkture n au f di e Wangen , Salbe n au f Hal s un d Ar m .
Widerwilli g lie ß Dieg o ih n gewähre n . Wa s bekümmerte n ihn Schnitt - oder Schürfwunden? Der wundersame Rausch war längst verfloge n . Sein Körper nicht länger aus Licht und Nebel gebildet, sondern wieder aus Fleisch und Blut. Seitde m spürt e er auc h d i e Verletzungen, die Yaxtun ihm zugefügt hatte. Abe r er achtet e kau m darauf .
Seine Geliebt e . Die Worte schmerzten weit ärger als der Messerschnitt in seinem Arm. Seine Seele stieß sich wund an ihnen. Sein Geist malte ihre Bedeutung aus, in verworfenen Szene n. Bruder und Schwester, nach dem Bild ihrer Götzen buhlend. Vieles, allzu vieles sprach dafür, daß mehr als Geschwisterliebe sie verband. Wie sorgsam sie den Zwillingsbruder vor ihm verborgen hatte, ihr männliches Ebenbild. Wie flammend der Bruder ihre Rechte verteidigt hatte, vor der gesamten Priesterschaft von Tayasal. Und er opferte sich für sie, ging für die Geliebte in den Tod! Für seine »Wahrheit«, wie Chacbalam beteuert hatte. Doch diese Wahrheit, dachte Diego, für die der Bruder so leidenschaftlich eintrat, war eine Wahrheit des Herzens, nicht unbedingt des Geistes.
Au f einma l sa h e r si e vo r sich , Ixkuku l un d Chacbalam , im Tempe l Ixquics . In jenem Raum der steinernen Nischen, ihre geschmeidige n junge n Leiber , einande r umschlingen d im Liebesspie l . S o plötzlic h stiege n di e Bilde r i n ih m auf , da ß ihm de r Ate m stockte . Di e Hitz e s cho ß ih m i n di e Schläfe n . Hernán wedelt e mi t eine m Tuc h vo r seine m Gesich t herum . E r bemerkte es kau m . Ixkuku l un d Chacbalam , dacht e er . Da s Idea l eines Liebespaares , un d meh r n oc h . Zwillingsseelen, einander bespiegelnd , al s wär e de r mythenalt e Trau m wah r geworde n . Als wären sie einer im anderen, der ureinige Mensch, Mann und Fra u zugleic h .
Abe r Ixkuku l hatt e beteuert , da ß si e ih n lieb e - ihn , Diego De l g ado , ihn , ihn ! E r knirsch t e mi t de n Zähne n . Wa s fü r ein Spie l wurd e hie r mi t ih m gespielt ? Neuerlic h stie g ei n Verdacht i n ih m auf . Ungeheuerlich, ungreifba r . E r fühlt e sic h gelenkt, wi e ein e Fadenpuppe . Aber von wem? Ixkukul? Julkin? Wer wa r de r Puppenspieler , de r sein e Schritt e z u leite n versuchte? Verfolgte n si e eine n gemeinsame n Plan ? Un d welch e Rolle spielt e be i allede m de r oberst e Prieste r Cha'acs ? Ixkukul , was erwartes t d u vo n mir ? Seine Schweste r . Un d sein e Geliebt e . Wiede r vernahm er die widrigen Worte, erklingend in Chac b a lam s melodiöse m Baß .
Herná n wickelte einen endlosen Verband um seinen Ar m . Dieg o sa h a n ih m vorbei , zu m Fenste r . Dort saß Julkin, wie seit viele n Stunden , übe r da s Buc h gebeug t . De r Tisc h vo r ihm übersä t mi t Bastpapier , Tintenschalen , Adlerfeder n . Nu n sa h er auf , gra u vo r Müdigkeit . Sei n Blic k gin g durc h Dieg o hindurc h . Au f einma l nah m e r ein e Feder , tunkt e si e ei n un d began n wie rasend zu schreibe n .
»Danke , Herná n . Da s reich t .« Der Pater erhob sic h . »Ich muß gehe n .« E r war f de m Mestize n eine n scharfe n Blic k z u . »Halte di e Auge n offe n . Keine r vo n euc h verläß t de n Tempel , bi s ich zurück bi n .«
E r beugt e sic h übe r ein e poliert e Steinplatte , di e ihne n als Spiege l diente . Hernán hatt e auc h sein e Rob e wieder zusammengeflickt . S o kunstvoll , da ß Flicke n ode r Näht e k aum zu sehen ware n . Sei n Gesich t abe r sa h noc h imme r entstell t aus, geradez u dämonisc h . Zwei , drei , fün f fingerlang e Kratzwunden, leuchten d unte r seine m wirre n Bar t .
E r wa r scho n a n de r Tür , al s Julki n di e Fede r sinke n ließ .
»Di e Zeichen , ehrwürdige r Herr , si e beginne n sic h z u öffne n .«
»Da s wär e wunderbar .« Un d paß t nu r allz u gu t z u meinem Verdacht . »Gönne dir etwas Ruhe, Julki n .« Er bemühte sich um einen gleichmütigen To n . »Warum hast du es mit der Entzifferung denn so eilig?«
»Ih r frag t . .. ?«Julki n wic h s eine m Blic k au s . »Nun , ic h ... die Forme l ... Si e z u entziffer n is t da s eine , werte r Herr .« E r
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