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Die Mayfair-Hexen

Die Mayfair-Hexen

Titel: Die Mayfair-Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Ash verliebt. Ihn kümmerte es nicht. Das war es ja, was Vertrauen bedeutete. Vertrauen brachte einem solche Erleichterung, ein so wunderbares Gefühl des Zusammenhalts. Und deshalb ließ man seine Deckung sinken, und so konnte man vernichtet werden.
    »Ich nehme den Toten jetzt mit«, sagte Ash. »Ich werde ihn irgendwohin bringen, wo ihn wohl kein Mensch finden wird.«
    »Nein«, sagte Yuri und schaute Ash in die großen, ruhigen Augen. »Ich habe bereits mit dem Mutterhaus gesprochen, wie ich schon sagte. Wenn Sie ein paar Meilen weit weg sind, rufen Sie dort an. Hier, ich gebe Ihnen die Nummer. Sagen Sie ihnen, sie sollen herkommen. Wir kümmern uns um den Leichnam von Stuart Gordon und um alles andere.«
    Er löste sich von Ash und blieb zu Füßen des eingefallenen Leichnams stehen. Wie schmächtig Gordon im Tode aussah, Gordon, der Gelehrte, den alle so sehr bewundert hatten, der Freund Aarons, der Mentor der jungen Leute. Yuri bückte sich, und ohne sonst etwas zu berühren, schob er die Hand in die Innentasche von Gordons Jackett und fand dort das unvermeidliche Bündel kleiner weißer Karten.
    »Hier, das ist die Nummer des Mutterhauses«, sagte er zu Ash, als er sich wieder aufrichtete und Ash eine Karte in die Hand drückte. Dann warf er noch einmal einen Blick auf den Toten. »Es ist nichts da, was irgend jemanden mit ihm in Verbindung bringen könnte«, stellte er fest. Und als ihm klar wurde, wie wunderbar wahr das war, hätte er beinahe gelacht.
    »Fabelhaft«, sagte er. »Er ist einfach tot, ohne irgendeine Spur von Gewalteinwirkung. Ja, rufen Sie diese Nummer an, und sie werden herkommen. Sie werden uns alle nach Hause bringen.«
    Er sah Rowan und Michael an. »Ich melde mich bald bei Ihnen.«
    Rowans Gesicht war traurig und unergründlich; Michael war offenbar besorgt.
    »Wenn nicht«, sagte Michael, »werden wir wissen, daß wir uns geirrt haben.«
    Yuri schüttelte lächelnd den Kopf. »Ich verstehe es jetzt; ich verstehe, wie es hat passieren können. Ich sehe die Schwächen und den Reiz.« Er schaute sich in dem Turmzimmer um. Ein Teil seiner selbst haßte es sehr, ein anderer Teil sah es als Zufluchtsort für einen mörderischen Romantizismus, und wieder ein anderer konnte den Gedanken nicht ertragen, hier auf Rettung warten zu müssen. Aber er war zu müde, um sich etwas anderes auszudenken oder es auf andere Weise zu versuchen.
    »Ich gehe und rede mit Tessa«, sagte Rowan. »Ich werde ihr erklären, daß Stuart sehr, sehr krank geworden ist und daß Sie bei ihr bleiben werden, bis Hilfe kommt.«
    »Oh, das wäre sehr freundlich von Ihnen«, sagte Yuri. Und zum ersten Mal spürte er jetzt, wie erschöpft er wirklich war. Er setzte sich auf einen Stuhl am Tisch.
    Sein Blick fiel auf das Buch – auf den Codex, wie Stuart es so zutreffend genannt hatte. Oder war es sehr pedantisch gewesen? Er wußte es nicht.
    Er sah, wie Ashs lange Finger das Buch umschlossen und aufhoben. Und wieder drückte Ash es an seine Brust.
    »Wie kann ich Sie erreichen?« fragte Yuri.
    »Gar nicht«, sagte Ash. »Aber in den nächsten Tagen werde ich Kontakt mit Ihnen aufnehmen; das verspreche ich Ihnen.«
    »Bitte vergessen Sie dieses Versprechen nicht«, sagte Yuri müde.
    »Ich muß Sie warnen«, sagte Ash leise und nachdenklich, und dabei hielt er das Buch vor sich wie einen heiligen Schild. »In den kommenden Monaten und Jahren werden Sie in Ihrem Alltag hier und da auf mein Bild stoßen, wenn Sie eine Zeitung oder eine Illustrierte zur Hand nehmen. Versuchen Sie nicht, zu mir zu kommen. Versuchen Sie nicht, mich anzurufen. Ich werde auf eine Weise bewacht, wie Sie es sich nicht träumen lassen. Es wird Ihnen nicht gelingen, mich zu erreichen. Sagen Sie das auch Ihrem Orden. Niemals werde ich gegenüber irgend jemandem von dort zugeben, was ich Ihnen gerade erzählt habe. Und um Himmels willen warnen Sie sie davor, ins Glen zu gehen. Die Kleinen Leute sterben aus, aber solange sie da sind, können sie äußerst gefährlich sein. Warnen Sie sie alle: Haltet euch fern vom Glen.«
    »Mit anderen Worten, ich kann ihnen erzählen, was ich gesehen habe.«
    »Ja, das müssen Sie sogar. Sie müssen ganz offen mit ihnen sein. Sonst können Sie nicht heimkehren.«
    Yuri sah Rowan an, dann Michael. Sie kamen an seine Seite, und er spürte Rowans Hand an seinem Gesicht, als sie ihn küßte. Michaels Hand lag auf seinem Arm.
    Er sagte nichts. Er konnte nicht; er hatte keine Worte mehr. Vielleicht hatte er auch keine Tränen

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