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Die Mayfair-Hexen

Die Mayfair-Hexen

Titel: Die Mayfair-Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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aber man wird es herausfinden.«
    »Und Tessa?« Ash seufzte leise. »Können Sie Tessa unter Ihrem Dach aufnehmen?«
    »Würden Sie mir das erlauben?« fragte Yuri. »Natürlich würden wir sie aufnehmen. Aber würden Sie das zulassen?«
    »Wo wäre sie sonst sicher?« fragte Ash unverhohlen traurig und müde. »Sie hat nicht mehr lange zu leben. Ihre Haut ist dünn wie die Seiten in meinem Buch. Sie wird wahrscheinlich sehr bald sterben. Wie bald, das weiß ich nicht. Ich weiß nicht, wie lange unsereiner zu leben hat. Wir sind so oft eines gewaltsamen Todes gestorben. In ganz frühen Zeiten glaubten wir, man könne überhaupt nur so sterben. Ein natürlicher Tod? Wir wußten nicht, was das…«
    Er brach ab und runzelte die Stirn. Seine dunklen Brauen krümmten sich anmutig über den großen Augen.
    »Sie können sie mitnehmen«, sagte er abschließend. »Sie werden gut zu ihr sein.«
    »Ash«, sagte Rowan leise, »Sie geben ihnen einen unumstößlichen Beweis für die Existenz des Taltos. Warum wollen Sie das tun?«
    »Etwas Besseres konnte gar nicht passieren«, sagte Michael mit einer Vehemenz, auf die Yuri nicht vorbereitet war. »Tun Sie’s. Tun Sie’s um Aarons willen. Nehmen Sie sie mit, bringen Sie sie zu den Ältesten. Sie haben Ihr Bestes getan, um diese ganze Verschwörung auffliegen zu lassen. Geben Sie ihnen die kostbaren Informationen!«
    »Und wenn wir uns irren?« wandte Rowan ein. »Wenn es doch nicht nur eine bloße Handvoll Leute war…« Sie zögerte und schaute auf den schmächtigen, trostlosen Leichnam. »Was haben sie dann?«
    »Gar nichts«, sagte Ash. »Ein Wesen, das bald sterben und wieder zur Legende werden wird, ganz gleich, wie viele wissenschaftliche Tests man mit ihrer sanften Duldung durchführen, wie viele Fotos und Tonbandaufnahmen man herstellen mag. Bringen Sie sie hin, Yuri; ich bitte Sie. Zeigen Sie sie dem Rat. Zeigen Sie sie allein. Zerstören Sie das Geheimnis, das Gordon und seine Freunde so grausam mißbraucht haben.«
    »Und Samuel?« fragte Yuri. »Samuel hat mir das Leben gerettet. Was wird Samuel tun, wenn er erfährt, daß sie in ihrem Besitz ist?«
    Ash dachte nach. Seine Brauen hoben sich anmutig, und seine Miene glättete sich gedankenvoll – ganz so, wie Yuri ihn beim ersten Mal gesehen hatte: die Miene eines großen, liebevollen Mannes, menschlicher vielleicht als die Menschen; das würde er nie erfahren.
    Was für ein schöner Gedanke plötzlich: daß der, der ewig lebt, um so mitfühlender werden soll. Aber das stimmte ja nicht. Dieses Wesen hatte getötet, und es hätte auch Gordon getötet, wenn Rowan sein Herz nicht zum tödlichen Stillstand gebracht hätte. Dieses Wesen würde womöglich Himmel und Erde in Bewegung setzen um Mona, die Hexe, die einen neuen Taltos gebären konnte.
    Wie um Gottes willen sollte er Mona beschützen?
    Es war plötzlich alles zu verwirrend, zu überwältigend. Natürlich würde er Tessa mitnehmen; er würde sie jetzt anrufen und sie bitten zu kommen, und sie würden kommen, und er würde heimkehren, würde wieder mit den Ältesten sprechen, und sie würden seine Beschützer sein und seine Freunde. Sie würden ihm helfen, herauszufinden, was zu tun war. Sie würden ihm die Entscheidung abnehmen.
    »Und Mona werde ich beschützen«, sagte Rowan ruhig.
    Er erschrak. Die Hexe hatte seine Gedanken gelesen. Wieviel konnte sie in den Herzen und Seelen aller Anwesenden lesen? Wieweit konnte der Taltos sie umgarnen und täuschen?
    »Ich bin kein Feind für Mona Mayfair«, sagte Ash, der anscheinend keine Mühe hatte zu folgen. »In diesem Punkt haben Sie sich von Anfang an geirrt. Ich würde das Leben eines Kindes nicht in Gefahr bringen. Ich würde mich keiner Frau aufzwingen. Sie haben Sorgen genug, Yuri. Überlassen Sie Mona Mayfair diesen beiden Hexen, die sie lieben und die sich um sie kümmern werden. Überlassen Sie ihnen die Familie. Das werden Ihnen zweifellos auch die Ältesten sagen, wenn Sie sie erreichen. Überlassen Sie es der Familie, die Familie zu heilen. Und mag der Orden sich selbst reinigen.«
    Yuri hätte gern geantwortet, aber er wußte nicht, was er sagen sollte. Ich wünsche mir so sehr, daß es wahr ist.
    Plötzlich kam Ash auf ihn zu und bedeckte sein Gesicht sanft mit Küssen. Yuri blickte auf, von Liebe überwältigt; seine Hand umfaßte Ashs Nacken, und er drückte seine Lippen auf Ashs Mund.
    Der Kuß war fest und keusch.
    Irgendwo in seinem Hinterkopf hallten Samuels beiläufige Worte, er habe sich in

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