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Die Mayfair-Hexen

Die Mayfair-Hexen

Titel: Die Mayfair-Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Columba, erwarte ihn dort. In den Klöstern überall auf der Welt würden viele solcher Bücher gemacht, und dieses Exemplar sei überaus wichtig für die Studien auf Iona.
    Ich mußte diesen Columba kennen lernen. Was man von ihm hörte, klang ebenso sonderbar wie das von Jesus Christus! Wahrscheinlich kennen Sie die Geschichte – Sie, Michael, kennen sie sicher.
    Ninian beschrieb Columba folgendermaßen. Er sei als Sohn einer reichen Familie auf die Welt gekommen und wäre, wenn alles seinen geordneten Lauf genommen hätte, vielleicht König von Tara geworden. Statt dessen aber wurde er Priester und begründete zahlreiche christliche Klöster. Dann aber geriet er in einen Streit mit Finnian, einem anderen heiligen Mann, und zwar über die Frage, ob er, Columba, das Recht hatte, eine Abschrift vom Psalter des heiligen Hieronymus anzufertigen, den Finnian nach Irland gebracht hatte, oder ob es ihm nicht erlaubt war. Ein Streit um den Besitz eines Buches? Um das Recht zum Abschreiben?
    Es war zu Handgreiflichkeiten gekommen. Dreitausend Männer waren in diesem Disput ums Leben gekommen, und man hatte Columba die Schuld daran gegeben. Er hatte das Urteil angenommen und sich nach Iona zurückgezogen, um uns, die Pikten, zum Christentum zu bekehren. Er hatte die Absicht, dreitausend heidnische Seelen zu retten, um die dreitausend zu sühnen, die im Gefolge seines Streits gestorben waren.
    Ich weiß nicht mehr, wer die Kopie des Psalters bekam.
    Aber Columba war jetzt auf Iona, und von dort aus schickte er Missionare überall in die Welt. In den christlichen Ansiedlungen wurden schöne Bücher wie dieses hergestellt, und alle waren eingeladen, sich dem neuen Glauben anzuschließen. Wahrhaftig, die Kirche Christi war für die Erlösung aller da!
    Und bald wurde deutlich, daß Columba und mit ihm viele Missionare und Mönche zwar Könige oder von königlichem Geblüt waren, daß aber das Regiment der Klöster außerordentlich streng war und ständige Kasteiungen des Fleisches und Selbstaufopferung verlangte.
    Wenn zum Beispiel ein Mönch Milch verschüttete, während er bei den gemeinschaftlichen Mahlzeiten das Essen auftrug, so mußte er während des Psalmengesangs in die Kapelle gehen und sich flach auf den Bauch legen, bis zwölf Psalmen vollständig gesungen waren. Wenn Mönche ihr Schweigegebot brachen, wurden sie geschlagen. Dennoch konnte nichts die Reichen und Mächtigen der Erde davon abhalten, in Scharen in die Klöster zu strömen.
    Ich war völlig verblüfft. Wie konnte ein Priester, der an Christus glaubte, einen Krieg anzetteln, der dreitausend Mann das Leben kostete! Wieso ließen sich Königssöhne für gewöhnliche Verfehlungen auspeitschen? Doch, ah, das alles war von schlichter Kraft und fesselnder Logik.
    Ich machte mich mit Ninian und zweien meiner jüngsten Söhne auf den Weg nach Iona. Natürlich hielten wir unsere Maskerade als Menschen aufrecht. Auch Ninian hielt uns ja für Menschen.
    Aber kaum war ich auf Iona angekommen, schlug das Kloster selbst wie auch die Persönlichkeit Columbas mich weiter in ihren Bann.
    Es war eine herrliche Insel, bewaldet und grün und mit einer prachtvollen Aussicht von den Klippen, wo das offene, saubere Meer der Seele auf der Stelle Frieden schenkte.
    Tatsächlich senkte sich auch eine wunderbare Ruhe auf mich herab. Mir war, als hätte ich das verlorene Land wiedergefunden – nur, daß die vorherrschenden Themen jetzt Strenge und Buße waren. Aber die Harmonie war wieder da, der Glaube an das reine Gute im Dasein.
    Nun war dieses Kloster keltisch und daher ganz anders als die Benediktinerklöster, die später Europa bedeckten. Es war von einer großen Ringmauer umgeben, dem sogenannten Vallum, was an eine Festung denken ließ, und die Mönche lebten darin in kleinen, einfachen Hütten, deren Durchmesser manchmal keine drei Schritte betrug. Die Kirche war kein großartiges Gebäude, sondern ein bescheidener Holzbau.
    Aber nie standen Gebäudekomplexe in größerem Einklang mit der Natur, die sie umgab. Hier konnte man in aller Stille den Vögeln zuhören, Spazieren gehen, nachdenken, beten und mit dem bezaubernden, freundlichen und wirklich gütigen Columba sprechen. Der Mann war von königlichem Blut, und ich war lange Zeit König gewesen. Die nördlichen Gefilde von Irland und Schottland gehörten uns; wir kannten einander, und etwas in mir berührte auch den Heiligen – die Aufrichtigkeit des Taltos, seine törichte Art, geradewegs zur Sache zu kommen, seine

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