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Die Mayfair-Hexen

Die Mayfair-Hexen

Titel: Die Mayfair-Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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kamen einige Taltos, die Christus angenommen hatten, und wollten Priester werden. Wir hießen sie willkommen.
    Im ganzen nördlichen Britannien war die Zeit der Ruhe für mein Volk zu Ende gegangen.
    Die Pikten verschwanden zusehends. Diejenigen, die die Ogham-Schrift beherrschten, schrieben schreckliche Flüche gegen mich, oder sie schnitten ihren neugefundenen christlichen Glauben mit Inbrunst in Mauern und Steine.
    Ein enttarnter Taltos konnte sich retten, indem er Priester oder Mönch wurde, eine Wandlung, die die Bevölkerung nicht nur beschwichtigte, sondern in großes Frohlocken versetzte. Dörfer wollten einen Taltos als Priester; Christen aus anderen Stämmen baten darum, daß ein zölibatärer Taltos zu ihnen kommen und die besondere Messe für sie lesen möge. Jeder Taltos aber, der bei diesem Spiel nicht mitmachte, der seinem heidnischen Leben nicht abschwor, der nicht den Schutz Gottes für sich in Anspruch nahm, war Freiwild für jedermann.
    Einstweilen legten wir fünf und noch einmal vier, die später gekommen waren, die Ordensgelübde ab. Zwei Taltos-Frauen, die ins Glen gekommen waren, wurden Nonnen unserer Gemeinschaft, und sie weihten sich der Obsorge für Schwache und Kranke. Mich ernannten sie zum Vater Abt des Klosters von Donnelaith, und meine Autorität erstreckte sich auf das Glen und die angrenzenden Gemeinden.
    Unser Ruhm wuchs.
    Es gab Zeiten, da mußten wir uns in unserem neuerbauten Kloster verbarrikadieren, um den Pilgern zu entrinnen, die kamen, »um zu sehen, was ein Taltos war«, und um uns zu berühren. Es sprach sich herum, daß wir »heilen« und »Wunder wirken« konnten.
    Tagaus, tagein drängte mich meine Herde, zur heiligen Quelle zu gehen und die Pilger dort zu segnen, die gekommen waren, um das heilige Wasser zu trinken.
    Janets Broch hatte man abgerissen. Die Steine ihres Heims und alles Metall, das man aus ihrem Geschirr und den paar Armbändern und Ringen schmelzen konnte, verwandte man für den Bau der neuen Kirche. Und am heiligen Bach wurde ein Kreuz errichtet und mit lateinischen Worten beschriftet, zum feierlichen Gedenken an Janets Verbrennung und das darauf folgende Wunder.
    Ich konnte es kaum mit an sehen. Ist das Barmherzigkeit? Ist das Liebe? Aber für die Feinde Christi war es mehr als offensichtlich, daß die Gerechtigkeit so bitter schmecken konnte, wie es Gott beliebte.
    Aber war denn dies alles Gottes Plan?
    Mein Volk vernichtet, und die wenigen Überlebenden in heilige Tiere verwandelt? Ich flehte unsere Mönche von Iona an, all diesem Aberglauben den Garaus zu machen. »Wir sind keine magische Priesterschaft!« erklärte ich. »Es fehlt nicht mehr viel, und diese Leute werden behaupten, wir hätten Zauberkräfte!«
    Aber zu meinem absoluten Entsetzen meinten die Mönche, so sei es Gottes Wille.
    »Siehst du denn nicht, Ashlar«, rief Ninian, »daß Gott dein Volk eigens für dieses besondere Priesteramt auserkoren hat?«
    Aber alles, was mir einmal vorgeschwebt hatte, war zunichte gemacht worden. Der Taltos war nicht erlöst worden, er hatte keinen Weg zum friedlichen Zusammenleben mit den Menschen gefunden.
    Die Kirche wurde immer berühmter, und die christliche Gemeinde wurde gewaltig. Und ich fürchtete die Unbeständigkeit derer, die uns anbeteten.
    Und endlich nahm ich mir jeden Tag eine oder zwei Stunden, da meine Tür verschlossen wurde und niemand mit mir reden durfte. Und in der Abgeschiedenheit meiner Zelle begann ich, ein großes illustriertes Buch zu schreiben, und ich benutzte all die Fertigkeiten, die ich von meinem Lehrer auf Iona gelernt hatte.
    Im Stil der vier Evangelien sollte es geschrieben werden, mit goldenen Lettern auf jeder Seite und winzigen Bildern, die alles illustrierten: die Geschichte meines Volkes.
    Mein Buch.
    Es war das Buch, das Stuart Gordon in den Krypten der Talamasca fand.
    Für Vater Columba schrieb ich jedes Wort, und all meine Begabung für Verse, für Lieder und Gebete ließ ich hineinfließen, während ich das verlorene Land beschrieb, unsere Wanderung zur Ebene im Süden und den Bau unseres großen Stonehenge. In lateinischer Sprache erzählte ich, was ich wußte, von unseren Kämpfen in der Welt der Menschen; ich erzählte, wie wir gelitten und zu überleben gelernt hatten und wie mein Volk, mein Stamm, schließlich zu dem geworden war, was es jetzt war: fünf Priester in einem Meer von Menschen, verehrt um einer Macht willen, die wir nicht besaßen, Verbannte ohne Namen, ohne Land, ohne eigenen Gott, die wir

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