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Die Mayfair-Hexen

Die Mayfair-Hexen

Titel: Die Mayfair-Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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war, als wäre Yuri bewußtlos geschlagen worden und sähe alles wiederum zum erstenmal. Er sah das schlichte schwarze Armband an Ashs Uhr und die goldene Uhr selbst, mit den Digitalziffern. Er sah den buckligen Rothaar i gen am Fenster stehen; er hatte es einen Spaltbreit geöffnet, da das Feuer jetzt regelrecht toste. Yuri spürte den Wind, der sich durch das Zimmer schnitt wie eine eiskalte Klinge. Er sah, wie das Feuer den Rücken krümmte und fauchte.
    »Yuri, warum?« fragte Ash.
    »Ich kann das nicht beantworten. Ich hatte irgendwie gehofft, daß wir uns irren, daß sie nicht so tief in all das verstrickt seien und daß sie keine unschuldigen Menschen ermordet haben mögen. Daß es eine phantastische Lüge sei, wenn sie b e haupteten, sie hätten den weiblichen Taltos, nach dem sie immer gesucht hätten. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß sie so schäbige Ziele verfolgen. Oh, ich will Sie damit nicht kränken…«
    «… natürlich nicht.«
    »Ich meine, ich hatte immer geglaubt, daß sie so hehre Absichten hätten, daß ihre ganze Entwicklung so bemerkenswert rein gewesen sei – ein Orden von Gelehrten, die Studien und Aufzeichnungen betrieben, aber niemals eigennützig in den Gegenstand ihrer Wissenschaft eingriffen: Erforscher des Übernatürlichen. Ich glaube, ich war ein Trottel! Sie haben Aaron ermordet, weil er von all dem wußte. Und deshalb mü s sen sie auch mich ermorden. Sie müssen wieder Routine ei n kehren lassen im Orden. Sicher beobachtet das Mutterhaus alles. Sicher wollen sie um jeden Preis verhindern, daß ich dort eindringe. Sicher überwachen sie die Telefone. Sie we r den in ihrer Wachsamkeit nicht nachlassen und nicht aufh ö ren, mich zu suchen, bis ich tot bin.
    Und wer wird dann noch da sein, der sie jagen kann? Der den anderen sagt, was geschehen ist? Der den Brüdern und Schwestern das schreckliche Geheimnis offenbart, daß dieser Orden böse ist… daß die alten Maximen der katholischen Ki r che vielleicht immer schon wahr waren: Was übernatürlich und nicht von Gott ist, das ist böse. Den männlichen Taltos zu s u chen! Ihn mit dem weiblichen zusammenzubringen…«
    Er blickte auf. Ash machte ein trauriges Gesicht. Samuel, der am jetzt geschlossenen Fenster lehnte, sah ebenfalls traurig und besorgt aus. Beruhige dich, dachte Yuri. Sieh zu, daß deine Worte etwas gelten. Verfalle nicht in Hysterie.
    Er sprach weiter.
    »Sie reden von Jahrhunderten, Ash, wie andere von Jahren. Dann könnte der weibliche Taltos, der bei der Talamasca ist, ebenfalls schon seit Jahrhunderten leben. Vielleicht war es immer schon ihr einziges Ziel. Ein Netz, gesponnen schon in dunklen Zeiten, das so böse ist und so pervers, daß moderne Männer und Frauen es sich überhaupt nicht vorstellen können! Es ist zu einfach – all diese dummen Männer und Frauen, die alle nach einem einzigen Wesen Ausschau halten: nach dem Taltos, einer Kreatur, die sich mit ihrem Gefährten so schnell und so erfolgreich fortpflanzen kann, daß ihre Art im Handu m drehen die Welt erobern würde. Ich frage mich, was sie so selbstsicher sein läßt, diese unsichtbaren, anonymen, geheimnisvollen Ältesten des Ordens, was sie so sicher sein läßt, daß ihnen nicht selbst…«
    Er verstummte. Darauf war er nie gekommen. Natürlich. War er je mit einem denkenden Wesen in einem Zimmer gewesen, das kein Mensch war? Jetzt war er es, und wer wollte sagen, wie viele solche Spezies noch in unserer behaglichen kleinen Welt lebten und umhergingen und für Menschen gehalten wurden, während sie doch in jeder Hinsicht ihren eigenen A n gelegenheiten nachgingen? Taltos. Vampire. Der alte Zwerg mit seiner eigenen Uhr, mit seinem eigenen Groll und seinen Geschichten.
    Wie still sie beide waren. Hatten sie wortlos beschlossen, ihn faseln zu lassen?
    »Wissen Sie, was ich gern täte?« fragte Yuri.
    »Was?« fragte Ash.
    »Ins Mutterhaus nach Amsterdam fahren und die Ältesten u m bringen. Aber das ist es eben: Ich glaube nicht, daß ich sie dort finden kann. Ich glaube nicht, daß sie im Amsterdamer Mutterhaus sind oder je dort waren. Ich weiß nicht, wer oder was sie sind. Samuel, ich möchte jetzt das Auto haben. Ich muß zu unserem Haus hier in London fahren. Ich muß die Brüder und Schwestern sehen.« , »Nein«, sagte Samuel. »Die werden Sie umbringen.«
    »Sie können nicht alle daran beteiligt sein. Das ist meine letzte Hoffnung; wir haben uns von einigen wenigen zum Narren halten lassen. Bitte, ich möchte jetzt mit dem Wagen

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