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Die Mayfair-Hexen

Die Mayfair-Hexen

Titel: Die Mayfair-Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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zum Mutterhaus vor die Stadt hinausfahren. Ich möchte so schnell wie möglich dorthin, bevor irgend jemand etwas merkt, ich möchte die Brüder und Schwestern packen und sie zwingen, mir zuzuhören. Hören Sie, ich muß es tun! Ich muß sie warnen. Aaron ist doch tot!«
    Er brach ab; er erkannte, daß er ihnen keine Angst machen konnte, diesen beiden seltsamen Freunden. Der kleine Mann hatte wieder die Arme verschränkt, was grotesk aussah, weil sie so kurz waren und seine Brust so mächtig. Die Hautfalten seiner Stirn senkten sich zu einem finsteren Blick. Ash be o bachtete ihn nur, ohne die Stirn zu runzeln, aber sichtlich b e sorgt.
    »Was kümmert es Sie denn schon, alle beide?« fragte Yuri plötzlich. »Sie haben mir das Leben gerettet, als ich in den Bergen angeschossen wurde. Aber niemand hat Sie darum gebeten. Warum also? Was bin ich denn für Sie?«
    Samuel gab ein leises Geräusch von sich, als wollte er sagen: Darauf lohnt es sich nicht zu antworten. Aber Ash antwortete mit sanfter Stimme.
    »Vielleicht sind wir ebenfalls Zigeuner, Yuri.«
    Yuri gab keine Antwort, aber er glaubte nicht an die Empfindungen, von denen dieser Mann sprach. Er glaubte an gar nichts außer daran, daß Aaron Lightner tot war. Er stellte sich Mona vor, seine kleine, rothaarige Hexe. Er sah sie vor sich, das bemerkenswerte kleine Gesicht, den mächtigen Schleier aus roten Haaren. Er sah ihre Augen. Aber er fühlte nichts für sie. Er wünschte sich von ganzem Herzen, sie wäre hier.
    »Nichts, ich habe nichts«, flüsterte er.
    »Yuri«, sagte Ash. »Bitte hören Sie, was ich Ihnen sage. Die Talamasca wurde nicht gegründet, um den Taltos zu suchen. Das können Sie mir glauben; ich gebe Ihnen mein Wort. Und auch wenn ich von den Ältesten des Ordens heutzutage nichts weiß, so habe ich sie doch in der Vergangenheit gekannt: Nein, Yuri, sie waren damals keine Taltos, und ich kann nicht glauben, daß sie heute Taltos sein sollen. Was wären sie denn, Yuri? Weibliche Vertreter unserer Spezies?«
    Er sprach weiter, ohne Hast und sanft, aber mit äußerster Kraft.
    »Ein weiblicher Taltos ist so mutwillig und kindlich wie ein männlicher«, sagte er. »Ein weiblicher Taltos wäre auf der Stelle zu diesem Lasher gegangen. Eine Frau, die nur unter Frauen lebte, hätte sich daran nicht hindern lassen. Warum sterbliche Männer ausschicken, damit sie einen solchen Schatz, einen solchen Gegner einfangen? Oh, ich weiß, für Sie sehe ich nicht furchterregend aus, aber Sie würden sich vielleicht wundern, wenn ich Ihnen meine Geschichten erzäh l te. Trösten Sie sich: Nicht die Ältesten haben die eingeschw o renen Ziele der Talamasca unterwandert, sondern es existiert da eine kleine Kumpanei von Mitgliedern, welche die Gehei m nisse des alten Volkes entdeckt haben.«
    Ash schwieg. Es war, als sei plötzlich eine Musik verstummt, die zwischen ihnen in der Luft geklungen hatte. Ash musterte Yuri aus geduldigen, ehrlichen Augen.
    »Sie müssen recht haben«, sagte Yuri leise. »Ich könnte es nicht ertragen, wenn Sie nicht recht hätten.«
    »Es steht in unserer Macht, die Wahrheit zu entdecken«, sa g te Ash. »Wir drei zusammen. Und um offen zu sein: Ich moc h te Sie zwar gleich, als ich Sie sah, und würde Ihnen helfen, weil Sie eine verwandte Seele sind und weil mein Herz Ihnen allgemein wohlgesonnen ist – aber ich muß Ihnen aus einem anderen Grund helfen. Ich erinnere mich an die Zeit, als es noch keine Talamasca gab. Ich erinnere mich an die Zeit, als sie aus einem einzigen Mann bestand. Ich erinnere mich, daß ihre Katakomben eine Bibliothek enthielten, die nicht größer war als dieses Zimmer. Ich erinnere mich, wie es zwei Mitgli e der wurden, dann drei und später fünf, und dann waren es zehn. Ich erinnere mich an all das; und die, die da zusamme n kamen, um die Talamasca zu gründen, ich kannte sie alle und liebte sie. Und natürlich liegt mein eigenes Geheimnis, meine eigene Geschichte, irgendwo verborgen in ihren Dokumenten, in den Unterlagen, die jetzt in moderne Sprachen übersetzt und elektronisch gespeichert werden.«
    »Er will damit sagen«, unterbrach Samuel schroff und trotz seines Ärgers akzentuiert, »wir wollen nicht, daß die Talama s ca unterwandert wird. Wir wollen nicht, daß ihre Natur sich ändert. Die Talamasca weiß zuviel über uns, als daß wir etwas Derartiges hinnehmen könnten. Sie weiß zuviel über zu viele Dinge. Für mich ist es eigentlich keine Frage der Loyalität. Ich will bloß in Ruhe gelassen

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