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Die Mayfair-Hexen

Die Mayfair-Hexen

Titel: Die Mayfair-Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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sauber.
    Entfremdung, fehlendes Vertrauen. Rom. Aaron, der kam. A a ron, ausgelöscht aus dem Leben – nicht aus der Vergangenheit, aber aus der Gegenwart und aus der Zukunft, ganz und gar.
    Er wußte nicht, wie lange er so dagestanden hatte.
    Allmählich schien es, als wurzele er für lange, lange Zeit n e ben der Kommode. Er wußte, daß Ash, der Große, hereingekommen war, aber nicht, um ihn vom Telefon zu lösen.
    Und ein tiefer, furchtbarer Schmerz in Yuri wurde plötzlich – und vielleicht auf katastrophale Weise – angerührt von der warmen, mitfühlenden Stimme dieses Mannes.
    »Warum weinen Sie, Yuri?«
    Er sprach mit der Reinheit eines Kindes.
    »Aaron Lightner ist tot«, sagte Yuri. »Ich habe ihn nicht ang e rufen, als sie versucht haben, mich umzubringen. Ich hätte es tun sollen. Ich hätte ihn warnen müssen…«
    Die harsche Stimme Samuels erreichte ihn von der Tür her.
    »Er wußte es, Yuri. Er wußte es. Sie haben mir gesagt, daß er Sie davor gewarnt hat, noch einmal herzukommen, daß er gesagt hat, sie könnten ihn jederzeit erwischen.«
    »Ah, aber ich…«
    »Halten Sie nicht schuldbewußt daran fest, mein junger Freund«, sagte Ash.
    Yuri fühlte, wie die großen Spinnenhände sich zärtlich um se i ne Schultern schlossen.
    »Aaron… Aaron war mein Vater«, sagte er monoton. »Aaron war mein Bruder. Aaron war mein Freund.« Schmerz und Schuld brodelten in ihm, und das krasse, gräßliche Grauen des Todes wurde unerträglich. Es erschien ihm unmöglich, daß dieser Mann aus dem Leben gegangen, unwiderbringlich verloren sein sollte.
    Es war wie damals als kleiner Junge, als er im Dorf seiner Mutter in Jugoslawien an ihrem Totenbett gestanden hatte. Da hatte er das letzte Mal solchen Schmerz verspürt; er konnte es nicht ertragen. Er biß die Zähne zusammen und fürchtete, daß er auf unmännliche Weise laut weinen, ja, schreien könnte.
    »Die Talamasca hat ihn ermordet«, sagte Yuri. »Wer sonst hätte es tun sollen? Lasher – der Taltos – ist tot. Er war es also nicht. Der Taltos hat die Frauen getötet, aber die Männer nicht. Die Talamasca war es.«
    »War es Aaron, der den Taltos getötet hat?« fragte Ash. »War er der Vater?«
    »Nein. Aber er hat eine Frau dort drüben geliebt. Und jetzt ist vielleicht auch ihr Leben zerstört.«
    Er wollte sich im Bad einschließen. Er hatte keine klare Vorstellung von dem, was er da tun wollte. Vielleicht mit angez o genen Knien auf dem Marmorboden sitzen und weinen.
    Aber diese beiden seltsamen Individuen wollten davon nichts hören. Besorgt und erschrocken zogen sie ihn ins Wohnzi m mer der Suite und setzten ihn dort auf das Sofa. Der Große achtete mit größter Sorgfalt darauf, ihm keine Schmerzen an der Schulter zuzufügen, und der Kleine machte sich eilig da r an, Tee aufzubrühen und ihm einen Teller mit Gebäck und Keksen zu bringen, ein klägliches Mahl, aber ein besonders verlockendes.
    Yuri hatte das Gefühl, das Feuer brenne zu stark. Sein Puls hatte sich beschleunigt, und er merkte, wie ihm der Schweiß ausbrach. Er zerrte den schweren Pullover rauh über den Kopf, was einen intensiven Schmerz in seiner Schulter hervo r rief, bevor er wußte, was er tat. Ehe er daran dachte, daß er unter dem Pullover nichts mehr anhatte, daß er jetzt mit nac k tem Oberkörper dasaß und seinen Pullover in der Hand hielt. Er lehnte sich zurück und umschlang den Pullover mit beiden Armen vor der Brust; seine Blöße war ihm unbehaglich.
    Er hörte ein leises Geräusch. Der kleine Mann hatte ihm ein weißes Hemd gebracht, das noch um die Wäschereipappe gefaltet war. Yuri nahm es entgegen, schlug es auseinander, knöpfte es auf und zog es über. Es war absurd groß; ansche i nend gehörte es Ash. Aber er krempelte die Ärmel auf, knöpfte ein paar Knöpfe zu und war froh, sich verhüllen zu können. Das Hemd fühlte sich behaglich an, wie eine große Pyjam a jacke. Der Pullover lag auf dem Teppich. Er sah das Gras da r an, die Zweige und die Lehmklümpchen, die daran klebten.
    »Und ich hielt mich für so edel«, sagte er, »weil ich ihn nicht anrief und beunruhigte, weil ich abwartete, bis die Wunde ve r heilt und ich wieder auf den Beinen war, ehe ich ihm Bericht erstattete und ihm bestätigte, daß ich wohlauf sei.«
    »Warum sollte die Talamasca Aaron Lightner ermorden?« fragte Ash. Er hatte sich in seinen Sessel zurückgezogen und saß da, die Hände zwischen den Knien gefaltet, kerzenger a de, unglaublich und sehr schön.
    Lieber Gott – es

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