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Die Mayfair-Hexen

Die Mayfair-Hexen

Titel: Die Mayfair-Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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werden.«
    »Aber ich spreche durchaus von Loyalität«, sagte Ash. »Ich spreche von Liebe und von Dankbarkeit. Von vielen Dingen spreche ich.«
    »Ja, das verstehe ich jetzt«, sagte Yuri. Er merkte, daß er m ü de wurde – das unausweichliche Ende eines emotionalen T u mults, das bleierne Bedürfnis des Besiegten nach Schlaf.
    »Wenn sie von mir wüßten«, sagte Ash mit leiser Stimme, »würde diese kleine Gruppe mich sicher jagen wollen, wie sie auch kam, um sich dieses Wesen Lasher zu holen.«
    Yuri hatte angefangen zu weinen. Er gab keinen Laut von sich. Die Tränen flössen nicht über. Aber seine Augen füllten sich mit Wasser. Er starrte die Teetasse an. Er hatte nichts von dem Tee getrunken, und jetzt war er kalt. Er nahm die Leinenserviette, faltete sie auseinander und wischte sich damit die Augen ab. Sie war zu rauh, aber das kümmerte ihn nicht.
    »Ich will nicht der Schutzengel der Talamasca sein«, sagte Ash. »Das habe ich nie gewollt. Aber es ist auch in der Ve r gangenheit vorgekommen, daß der Orden bedroht war. Ich werde nicht mit an sehen, wie der Orden kompromittiert oder vernichtet wird, wenn ich es verhindern kann.«
    »Es gibt viele Gründe, Yuri«, sagte Samuel, »weshalb eine kleine Bande von Renegaten in der Talamasca versuchen könnten, diesen Lasher zu fangen. Stellen Sie sich vor, was für eine Trophäe er gewesen wäre. Es sind vielleicht Me n schen, die einen Taltos ohne vernünftigen Grund einfangen würden. Es sind keine Männer der Wissenschaft, der Magie oder der Religion. Es sind nicht mal Gelehrte. Aber sie wollen diese seltene, unbeschreibliche Kreatur haben. Sie wollen sie natürlich anschauen, mit ihr reden, sie untersuchen, sie ke n nen lernen und sie unter ihren wachsamen Augen weiterzüc h ten.«
    »Vielleicht wollen sie sie haben, um sie in Stücke zu hacken«, sagte Ash. »Beklagenswert, aber sie wollen sie haben, um sie mit Nadeln zu stechen und zu sehen, ob sie schreit.«
    »Ja, das ist so plausibel«, sagte Yuri. »Eine Verschwörung von außen. Renegaten oder Fremde. Ich bin müde. Ich muß schlafen, in einem Bett. Ich weiß nicht, warum ich so schrec k liche Dinge zu Ihnen beiden gesagt habe.«
    »Ich weiß es«, sagte der Zwerg. »Ihr Freund ist tot. Ich war nicht da, um auch ihn zu retten.«
    »Der Mann, der versucht hat, Sie zu ermorden…«, sagte Ash. »Haben Sie ihn getötet?«
    Samuel übernahm die Antwort. »Nein, ich habe ihn getötet. Eigentlich nicht mal mit Absicht. Aber wenn ich ihn nicht vom Felsen gestoßen hätte, hätte er noch einen Schuß auf den Zigeuner abgefeuert. Ich muß gestehen, ich hab’s eigentlich aus Übermut getan, denn Yuri und ich hatten noch kein Wort miteinander gewechselt. Da stand bloß dieser Mann und zielte mit einer Pistole auf einen anderen Mann. Seine Leiche liegt im Glen. Gut möglich, daß die Kleinen Leute ihn haben liegen lassen, wo er hingefallen ist.«
    Yuri sagte gar nichts. Undeutlich war ihm bewußt, daß er den Toten hätte suchen müssen. Er hätte ihn untersuchen, ihm die Ausweispapiere abnehmen müssen. Aber das war wirklich nicht gegangen, in Anbetracht seiner Verletzung und des unwegsamen Geländes. Und es schien irgendwie gerecht zu sein, daß die Leiche nun für allezeit in der Wildnis von Donn e laith verloren war und daß das Kleine Volk sie dort verrotten ließ.
    Das Kleine Volk.
    Noch im Fallen waren seine Augen auf das Spektakel der kle i nen Männchen dort unten in der Grasmulde gerichtet gewesen. Sie hatten getanzt wie ein Schwärm verwachsener, moderner Rumpelstilzchen. Das Licht der Fackeln war das letzte gewesen, was er wahrgenommen hatte, bevor ihm das Bewußtsein schwand.
    Als er die Augen wieder geöffnet und Samuel vor sich gesehen hatte, seinen Retter mit dem Halfter und der Pistole und einem Gesicht, so ausgemergelt und alt, daß es aussah wie das Wurzelgewirr am Fuße eines Baumes, da hatte er g e dacht: Sie sind gekommen, um mich umzubringen. Aber ich habe sie gesehen. Ich wünschte, ich könnte Aaron davon e r zählen. Ich habe sie gesehen, die Kleinen Leute…
    »Es ist eine Gruppe von außerhalb der Talamasca«, sagte Ash und riß ihn aus seinen Gedanken. »Nicht von innen.«
    Taltos, dachte Yuri. Und jetzt habe ich den Taltos gesehen. Ich bin in einem Zimmer mit diesem Wesen, das der Taltos ist.
    Samuel ergriff das Wort, und es klang ein wenig ätzend, als er fragte: »Woher weißt du, daß es keine Gruppe von innerhalb der Talamasca ist?«
    Er sah ganz anders aus als in jener Nacht

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