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Die Medizinfrau

Die Medizinfrau

Titel: Die Medizinfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Carmichael
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um nicht bei der freundlichen Witwe bleiben zu müssen. Und ihre zaghafte Schwester hatte sie einfach mitgerissen.
    Aber auch Ellen war für Überraschungen gut. Gabe hatte eine Weile den Verdacht, daß die sterilere der Zwillinge Katys Haare abgesäbelt hatte. Und dann erinnerte er sich an den Tag, an dem Ellen die Nase von Katys Angeberei voll hatte, sie könne das halbwilde Pferd reiten. Ellen war den wachsamen Augen ihrer Mutter entschlüpft und hatte den Satan geritten. Das Ergebnis war ein gebrochener Arm und eine dicke Beule am Kopf. Aber sie hatte erklärt, es habe sich gelohnt, damit Katy endlich mit ihrer Aufschneiderei aufhörte.
    Wenn seine Töchter eine Überraschung für ihn ankündigten, dann standen Gabe bereits die Haare zu Berge.
    Als das Badewasser abgekühlt war und ein längeres Hinauszögern unangenehm wurde, stieg Gabe widerwillig aus der Wanne und zog sich an. Er rief nach oben, daß er fertig sei, schob die Wanne zur Tür und goß sie aus. Hinter ihm polterte eine Kaskade von Schritten die Leiter hinunter.
    »Nicht umdrehen!« kicherte Ellen.
    Gabe seufzte und horchte auf das Getuschel hinter ihm.
    »Okay!« piepste Ellen. »Jetzt darfst du gucken.«
    Er drehte sich um und glaubte im ersten Augenblick, doppelt zu sehen. Aber nein, Ellen hatte nicht dieses Funkeln in den Augen. Sie war immer die Zurückhaltende. Es war Katys Funkeln in den Augen der jungen Dame, die zwischen Olivia und Ellen stand.
    »Katy?«
    Alle drei blickten ihm erwartungsvoll entgegen. Sie trug ein Kleid, das ihre knospenden Kurven unterstrich. Ihr Gesicht war rosig geschrubbt, das glänzende Haar von einem Band am Hinterkopf gehalten, wie er sie den Mädchen aus der Stadt mitbrachte, und die Katy verabscheute. Die Hände hielt sie verschränkt; sogar ihre Fingernägel waren geschnitten und geputzt.
    »Katy! Du siehst so … so anders aus!«
    Sofort fing sie an zu jammern. »Ich habe es euch gesagt, ich sehe doof aus. Doof, doof, doof!«
    »Du siehst wunderschön aus!« widersprach er heftig. »Katy, du siehst wunderschön aus! Und so erwachsen. Du erinnerst mich an deine Mutter, als ich sie zum ersten Mal sah.«
    »Ich seh aus wie Ellen«, schmollte sie keineswegs besänftigt.
    »Na und?« fragte Ellen gekränkt.
    »Iiii!«
    »Nun Moment mal!« Gabe wollte keinen Streit aufkommen lassen. »Ihr seid Zwillinge. Natürlich seht ihr euch ähnlich. Aber nur jemand, der dich nicht kennt, würde dich mit Ellen verwechseln oder umgekehrt.«
    »Willst du damit sagen, ich sehe Mama nicht ähnlich?« jammerte Ellen.
    »Ihr seht beide aus wie ihr selbst.«
    »Du hast aber gesagt, wir sehen uns ähnlich!« erinnerte Katy ihn beleidigt.
    Gabe warf Olivia einen flehenden Blick zu.
    »Euer Vater will euch sagen, Kinder«, versuchte Olivia zu vermitteln, »daß ihr von eurer Mutter die hübschen Gesichter und die schönen schwarzen Haare habt, und deshalb seht ihr euch sehr ähnlich.« Sie zwinkerte Katy zu. »Besonders, wenn ihr beide euch wie Mädchen kleidet. Aber jede von euch hat ihre eigenen Merkmale im Aussehen und im Wesen.«
    »Findest du also nicht, daß ich aussehe wie Ellen?«
    »Nicht mehr und nicht weniger, wie sie wie du aussehen würde, wenn sie Hosen und Männerhemden anzieht.«
    Katy warf ihrem Vater einen düsteren Blick zu. »Und du findest nicht, daß ich doof aussehe?«
    »Auf keinen Fall. Du wächst zu einer Frau heran, das habe ich immer gewußt.«
    »Aha.«
    »Auch mit den Stiefeln.«
    Katy schaute auf ihre Füße und grinste. Ellen kicherte.
    Ermuntert durch Gabes Anerkennung entfaltete Katys Weiblichkeit sich beim Abendessen wie ein Blütenkelch.
    Sie aß sittsam mit der Gabel, statt sich den Mund vollzustopfen wie sonst. Höflich reichte sie Schüsseln weiter, statt sich nur den Teller vollzuladen. Und zweimal korrigierte sie ihre Redeweise. Statt nach dem Essen sofort nach oben zu rennen und sich wie angedroht umzuziehen, setzte sie sich mit ihrem Vater still vor den Kamin und schlug ihn im Schach.
    »Bin bloß froh, daß diese Weiberröcke meinen Verstand nicht angreifen«, grinste sie ihren geschlagenen Gegner an, und die schelmischen Grübchen vertieften sich.
    »Das hatte ich eigentlich gehofft«, feixte Gabe.
    »Ich schlag dich auch noch, wenn man mich in Strampelhöschen steckt.«
    »Werd bloß nicht frech, mein Schatz. Vor drei Tagen hab’ ich dich zweimal hintereinander geschlagen.«
    »Ich habe dich absichtlich gewinnen lassen.«
    »Gar nicht wahr.«
    Katy verzog das Gesicht und warf Olivia einen

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