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Die Medizinfrau

Die Medizinfrau

Titel: Die Medizinfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Carmichael
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nicht zusammen.«
    »Aber du liebst ihn.«
    »Liebe ist eine vorübergehende Verrücktheit, das ist jedenfalls meine Meinung.«
    »Das denkst du doch nicht wirklich, Olivia!«
    Olivia blickte wehmütig in den grauen Wintertag. »Ich würde es gerne.«
    »Olivia! Ich finde, du brauchst dringend eine Rüge. Ich kann nicht glauben, daß du den Mann ablehnst, nur weil er kein hochgestochener feiner Pinkel aus New York ist.«
    »Das ist nicht der Grund.«
    »Und wenn er kein Geld hat, ist das auch kein Grund. Ein kluger Mann kann hier im Westen auf tausenderlei Art viel Geld verdienen. Es ist immer noch Grenzgebiet mit unendlichen Entwicklungsmöglichkeiten.«
    »Ich glaube, er ist bereits ein reicher Mann.«
    »Was ist es dann? Die Medizin? Der Westen braucht weiß Gott eine Menge tüchtiger Ärzte. Viele, die es in den Westen zieht, fliehen vor einer Familie oder einer Verantwortung, oder sie sind lungenkrank und suchen Heilung in der würzigen Luft. Bei dir ist es anders. Sobald die Menschen erkennen, wie tüchtig du als Ärztin bist, wirst du großen Zulauf haben.«
    »Ich glaube nicht, daß ich wirklich für den Westen geeignet bin, Amy.«
    »Unsinn! Wenn ich tausende Meilen von der Zivilisation entfernt aus Liebe zu einem Mann leben kann, dann kannst du das erst recht. Du warst in jedem Fach in der Schule besser als ich.«
    »Das stimmt nicht ganz. Du warst besser in Kunsterziehung, Handarbeit, Französisch …«
    »Nutzloses Zeug – außer Handarbeit. Meine Stickereien waren schöner, nicht wahr?« Amy blinzelte. »O Gott!«
    »Was? Was ist?«
    »Nur ein Stich im Rücken. Nichts. Schon wieder vorbei. Solche kleinen Unannehmlichkeiten bleiben in den letzten Schwangerschaftswochen wohl nicht aus.«
    Olivia lächelte über den Stolz in Amys Stimme. »Ich finde, wir sollten heimfahren, damit ich dich untersuchen kann.«
    »Unsinn.«
    »Amy, warum bin ich nach Montana gekommen, um dir beizustehen, wenn du nicht auf mich hörst?«
    »Na schön. Wenn du darauf bestehst. Aber vorher mußt du das Paket mit der Spitze bei Shriner abholen. Ich habe sie extra bestellt, und wenn ich sie nicht abhole und Margaret Norton sie sieht, beschwatzt sie Henry, sie ihr zu geben. Tust du mir den Gefallen?«
    »Nur wenn du mir versprichst, hier still sitzen zu bleiben, bis ich zurück bin.«
    »Aber ja, Olivia. Es geht mir gut, ich schwöre es. Es war nur ein kleiner Stich. Nichts Schlimmes. Ich bleib hier sitzen und nehme noch eine Tasse Tee.«
    »Ich bin gleich wieder da.«
    Olivia eilte durch den kalten Wind zu Shriners Kaufladen hinüber. Das Wetter verschlechterte sich zusehends. Sie dachte an Gabe, an die Stunden, die sie eng umschlungen im halb eingeschneiten Zelt verbrachten und auf das Heulen des Sturmes horchten. Und sie dachte an andere Dinge. Die warme Geborgenheit hinter dem Bettvorhang in Gabriels Armen; die beglückende Erwartung, wenn er sich über sie beugte, ein dunkler Schatten in ihrer kleinen Welt; die wunderbare Empfindung des Einsseins, wenn er sich in ihr bewegte und sie zur Erfüllung trug. Das Lachen der Zwillinge hallte in ihr wider, ihr Gezänk und auch ihre Klagen; Katys Koboldlächeln; die wohltuende Wärme in Ellens Gesicht. Sogar der kleine Hunter geisterte durch ihre Erinnerung mit seinem Welpengesicht und den wachen Augen.
    Siehst du, sagte sie in Gedanken zu Gabriel Danaher, man kann einen Wolf sehr wohl zähmen.
    Vielleicht konnte man Gabriel auch zähmen. Doch der Gedanke war absurd. Gabriel war nicht wild; er war kein Wolf, den man zähmen mußte. Es war nur … unpassend. War er das wirklich? Hatte sie einen schweren Fehler gemacht? Hatte Amy recht, sie eine Närrin zu schimpfen?
    In Shriners Kaufladen verbreitete der bauchige Ofen in der Mitte des Raumes wohlige Wärme. Olivia schloß schnell die Tür hinter sich gegen den kalten Wind.
    »Miß Baron«, begrüßte Shriner sie. »Wie schön, daß Sie wieder da sind. Sylvester schaute heute morgen rein und sagte, daß Sie wieder da sind. Wir haben uns alle große Sorgen gemacht.«
    »Danke, Mr. Shriner. Es tut mir leid, daß Sie um mich besorgt waren, aber ich war nie in Gefahr. Mr. Danaher behandelte mich sehr zuvorkommend und höflich.«
    »Das hört man gerne. Und wie geht es Mrs. Talbot?«
    »Ausgezeichnet. Sie schickt mich, um die Klöppelspitze abzuholen.«
    »Sie ist im Lager. Es dauert ein paar Minuten, bis ich sie rausgesucht habe. Haben Sie solange Zeit?«
    »Aber gewiß.«
    Mr. Shriner blieb länger als ein paar Minuten. Mrs. Walpole

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