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Die Medizinfrau

Die Medizinfrau

Titel: Die Medizinfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Carmichael
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betrat den Laden und grüßte Olivia reserviert, die Neugier sprang ihr geradezu aus den Augen. Olivia schlenderte in den hinteren Teil des Ladens, um nicht mit ihr reden zu müssen. Hinter ihr wurde die Tür geöffnet und fiel wieder ins Schloß. Olivia studierte das Warenangebot, um weiteren, neugierigen Blicken zu entgehen.
    Das Warenangebot waren Hüte – die Hüte, die sie sich angesehen hatte, als sie Gabriel Danaher zum ersten Mal begegnet war. Sie nahm das Strohgebilde in die Hand, das ihr damals gefallen hatte. Es kam ihr jetzt lächerlich vor. Sie setzte das Hütchen auf und betrachtete sich im Spiegel. Was konnte das Gebilde im Schneesturm nützen, und wie sollte man damit wohl die Sonne abschirmen?
    »Das Ding sieht jetzt nicht besser aus als im November bei unserer ersten Begegnung.«
    Beim Klang seiner Stimme fuhr sie erschrocken herum, sie fühlte sich beinahe zurückversetzt in den Augenblick ihrer ersten Begegnung. »Gabriel! Ich … ich dachte, du bist in die Berge geritten.«
    »Ich hatte noch ein paar Dinge in der Stadt zu erledigen.«
    »Aha.« Befangen nahm sie den Hut vom Kopf, dann lächelte sie. »Damals hast du gesagt, auf einem Maulesel würde der Hut gut aussehen.«
    »Sowas ähnliches. Ich fürchte, Takt gehört nicht zu meinen Stärken.«
    »Nein? Diesen Vorwurf mußte ich mir auch schon anhören.«
    Er blickte sie schweigend an. Olivia nestelte an dem Hut herum, ihr Blick heftete sich auf die Knöpfe seines Mantels, um ihm nicht in die Augen sehen zu müssen. Sie spürte seinen Blick wie eine magnetische Kraft. Ihre Gedanken rasten, eine innere Stimme schrie ihr zu, sie solle etwas sagen, damit er nicht fortging, solle ihm sagen, daß es ihr leid tue, so feige und dumm gewesen zu sein. Eine andere Stimme hielt dagegen, ihre Gefühle seien trügerisch, entstanden aus der Einsamkeit und Gefahr. Jetzt war sie wieder in der Zivilisation, und sie hatten einander nichts zu sagen als leere Höflichkeitsfloskeln. Der Gedanke, ein Leben mit ihm zu verbringen, war völlig lächerlich.
    »Wie geht es Mrs. Talbot?«
    »Es geht ihr gut.«
    Das Schweigen zog sich hin.
    »Bleibst du länger in der Stadt?« fragte sie schließlich.
    Sein Seufzen klang traurig. »Nein. Ich denke nicht. Wenn das Schneetreiben nachläßt, reite ich los.«
    »Vermutlich willst du die Kinder nicht länger alleine lassen.«
    »Genau.«
    Ihre Blicke trafen sich, doch hastig wich sie ihnen aus. Sie konnte diesen tiefgrünen Augen nicht begegnen und ihm erneut Adieu sagen, Feigling, der sie war. »Schaust du bei den Talbots rein, um dich zu verabschieden?«
    Schweigen.
    »Bitte.«
    »Gut, ich schau vorbei.«
    »Da kommt Mr. Shriner mit Amys Bestellung. Ich muß gehen.«
    Sie spürte seine Blicke im Rücken, als sie das Paket mit der Spitze an sich nahm und den Laden verließ. Der eisige Wind fuhr ihr schneidend bis in die Seele. Warum hatte sie ihn nicht einfach gehen lassen?
     
    Gabriel hielt Wort und zügelte sein Pferd vor dem Haus der Talbots. Mrs. Grisholm führte den Besucher in den Salon, in dem Olivia ihn erwartete. Amy hatte sich zu einem Schläfchen zurückgezogen, sie hatte über Rücken schmerzen geklagt, und Sylvester war ostentativ in sein Büro im ersten Stock gegangen, als er Danaher heranreiten sah.
    »Olivia.« Gabe nahm seinen Hut ab und stand etwas verlegen in der Mitte des Saloons. Wenn es galt, dem Gestein Silberadern abzutrotzen, einen Schneesturm in einem provisorischen Zelt zu überstehen – darin war er Meister. Aber in Amys überladen ausgestatteten, viktorianischen Salon, mit den Ölgemälden in schweren Goldrahmen, den Marmorstatuen in den Wandnischen, wirkte er wie eine Windblume in einem gepflegten Rosenbeet. Olivia verspürte plötzlich eine tiefe Sehnsucht nach den Hochgebirgsmatten und majestätischen Berggipfeln, zu denen Gabriel zurückkehrte. Das Gefühl machte sie zornig. Sie sollte froh sein, dieser Wildnis entronnen zu sein, statt Sehnsucht danach zu empfinden.
    »Reitest du los?« fragte sie.
    »Ja.«
    Er hielt den Hut in der Hand, machte aber keineswegs einen schüchternen Eindruck, seine Haltung war eher hochmütig. Der Prunk des Salons wirkte mit einem Mal protzig und schäbig.
    »Es schneit immer noch. Es muß zehn Zentimeter Neuschnee haben.«
    »Es schneit nicht genug, um mich aufzuhalten.«
    Sie wurde noch zorniger. Warum stand er so kühl vor ihr? Er könnte wenigstens so tun, als tue es ihm leid, sie zu verlassen.
    »Ich … ich wollte, daß du nochmal vorbeischaust, weil

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