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Die Medizinfrau

Die Medizinfrau

Titel: Die Medizinfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Carmichael
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zu kennen. Sie hatte häufig die Beobachtung gemacht, daß es fürsorglichen Angehörigen Schwerkranker schwerfiel, ihre Angst und Besorgnis abzulegen, wenn ihre Patienten wieder auf die Beine kamen.
    »Es besteht kein Grund zur Besorgnis, Gabriel.«
    Sie nannte ihn beim Vornamen; er hob den Kopf und sah sie finster an. In seinen Augen las sie keine Besorgnis, wußte aber nicht genau, was sie sah.
    »Sie haben versprochen, mit mir über meine Rückkehr zu reden.«
    »Das tun wir doch. Ich bin der Meinung, die Kinder brauchen Ihre Pflege noch einige Tage. Ich kann nicht den ganzen Tag im Haus bleiben, um sie zu versorgen. Ich muß noch viel Holz hacken, wenn wir den Winter überstehen wollen. Und ich muß wieder in die Mine. Das Erz bringt mir kein Geld, wenn ich es nicht aus dem Felsen schlage.«
    Olivia seufzte entnervt. »Die Mädchen brauchen mich nicht mehr. Ich verstehe Ihre Besorgnis, aber Sie müssen meinem Urteil vertrauen. Ich würde Ihnen nichts erzählen, was nicht der Wahrheit entspricht.«
    »Sie sind jetzt seit fast zwei Wochen hier oben. Da kommt es auf ein paar Tage auch nicht mehr an.«
    »Mr. Danaher. In Elkhorn lebt eine Frau, die mich dringend braucht, und ein paar Tage mehr können sehr viel Schaden anrichten. Ich bin nach Montana gekommen, um Amy Talbot in ihrer Schwangerschaft beizustehen. Sie hatte bereits zwei Fehlgeburten, und es wäre furchtbar, wenn sie ihr drittes Kind verlieren würde, nur weil ich hier oben festsitze.«
    »In Elkhorn gibt es zwei Ärzte, die sich um Mrs. Talbot kümmern können. Katy und Ellen haben nur Sie.«
    »Dr. Cahill und Dr. Traleigh haben weniger Erfahrung mit schwierigen Schwangerschaften und Geburten als ich. Ich habe in Paris und New York gearbeitet …« Sie stockte, erkannte in seinem eisigen smaragdgrünen Blick, daß er kein Verständnis aufbrachte. »Ich habe mein Bestes für Katy und Ellen getan, obwohl Sie mich entführt und wie einen Sack Mehl in die Berge verschleppt haben. Sie sind es mir schuldig, mich zurückzubringen.«
    Gabe stand auf, fuhr sich mit den Fingern durch die zerzauste schwarze Mähne. An den Kaminsims gelehnt, starrte er ins Feuer. Dunkle Schatten flackerten über sein Gesicht. »Ich bringe Sie bald zurück. Aber nicht morgen. Wir bekommen einen Schneesturm. Es dauert noch einige Tage.«
    Olivia wußte, daß er nicht mit sich reden ließ. Keine Sekunde glaubte sie ihm die Ausrede mit dem Schneesturm. Der Himmel war zwar grau, und ein kalter Wind fegte ums Haus, aber es gab keine Anzeichen von Schnee. Nach ein paar Tagen würde ihm eine andere Ausrede einfallen. Er wollte sie hier oben behalten, bis Katy und Ellen wieder völlig auf den Beinen waren, und das konnte noch ein paar Wochen dauern.
    »Ich geh schlafen«, verkündete Danaher.
    Er kauerte sich neben die Betten der Kinder und schaute in ihre schlafenden Gesichter. Sie wurden mit jedem Tag kräftiger. Wieso sah dieser eigensinnige Mann nicht ein, daß sie nicht mehr gebraucht wurde? Was für ein unvernünftiger Dickschädel!
    »Gute Nacht.« Seine Augen suchten einen kurzen Augenblick die ihren. Sie vermochte keinerlei Verständnis in seinem verschlossenen Gesicht entdecken. Er würde nicht nachgeben.
    »Gute Nacht.« Ihre schneidende Stimme machte dem Wind Konkurrenz, der um die Hütte heulte.
    Noch lange, nachdem Danaher den Vorhang um sein Bett gezogen hatte, stand Olivia am Fenster. Wenn Amy sich grämte, steigerte sie sich in diesen Zustand hinein, bis sie davon völlig besessen war. Sie war bald im siebten Monat der Schwangerschaft, und wenn jetzt ein Unglück geschah, verlor sie möglicherweise nicht nur ihr Kind sondern auch ihr Leben. Eine Fehlgeburt in einer späten Phase der Schwangerschaft war äußerst gefährlich.
    Olivia sah die bekümmerte Amy vor sich, die keinen Appetit hatte und schlecht schlief. Sie würde sich für Olivia verantwortlich fühlen, da sie die Freundin gebeten hatte, sie in der Wildnis zu besuchen. Niemand konnte wissen, daß sie einigermaßen sicher in der Hütte eines Bergarbeiters untergebracht war.
    Während sie aus dem Fenster blickte, zeigte sich der Vollmond hinter jagenden Wolkenfetzen, der die Lichtung in blaues Licht tauchte; Koppel, Hühnerstall und Scheune lagen im milchigen Schein. Im Stall standen vier Pferde. Gabes kastanienbraune Stute, Katys kräftiger Appaloosa, Ellens kleiner Fuchswallach und der Graue, den Danaher aus dem Mietstall in Elkhorn ›geborgt‹ hatte. Bis auf den Grauen waren die Pferde mit Sicherheit oft

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