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Die Medizinfrau

Die Medizinfrau

Titel: Die Medizinfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Carmichael
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selbstherrliche, sture Esel! Was konnte sie bloß tun? Was um alles in der Welt konnte sie tun?
    Danaher gab auf, Jebs Klammergriff von seiner Kehle lösen zu wollen, statt dessen stieß er dem Gegner die Finger in die Augenhöhlen. Jeb brüllte auf, ließ los und wälzte sich mit den Händen vor dem Gesicht auf dem Boden.
    »O mein Gott!« Olivia konnte den Anblick nicht mehr ertragen. Irgendwann in den letzten Tagen hatte sie begonnen, in Danaher einen im Grunde sanften Mann zu sehen. Doch dieser Danaher, eingefettet wie ein heidnischer Krieger, mit blutender Nase, glühenden Augen im rot angelaufenen Gesicht, war ein Fremder. Er kämpfte wie ein Berserker. Beide Männer waren Tiere, wilde, brutale Tiere ohne jeden Verstand.
    Was hatte sie erwartet? fragte Olivia sich spöttisch. Die Spielregeln des Marquis von Queensbury? Dieser Kampf hier war wildes Montana, nicht New York. Hier ging es nicht um eine Siegerprämie oder eine Ehrenmedaille. Es ging um sie, Olivia Baron.
    Sie hob den Kopf und öffnete die Augen. Danaher saß rittlings auf Jebs mächtigem Brustkasten, hielt seine Ohren wie Henkel und schlug den Kopf des Gegners auf den Boden. Jeder andere hätte das Bewußtsein verloren. Jeb grunzte nur. Er wuchtete seinen Körper hoch wie einen großen Kloß Fleisch. Danaher rollte von ihm herunter, schaffte es aber, den Arm um Jebs Nacken zu schlingen und ihm das Knie ins Kreuz zu stemmen. Einen kurzen Augenblick verharrten die beiden Kämpfer unbeweglich.
    »Ich kann dir das Kreuz brechen, Kleiner.«
    Jeb grunzte.
    »Gibst du auf?«
    »Verfluchte Scheiße, ja!« ächzte Jeb.
    Danaher ließ ihn sofort los. Olivia fürchtete, Jeb würde die Situation ausnutzen und ihn wieder anspringen. Doch er ließ es bleiben.
    »Sie sind härter, als ich dachte, Danaher.«
    »Sie sind auch nicht von Pappe. Ein paarmal sah es nicht gut für mich aus.«
    »Da haben Sie verdammt recht. Sie hatten Glück.« Er rieb sich die Ohren und verzog das Gesicht. »Sie können ziemlich hart zupacken.«
    Die beiden stapften einträchtig auf die Hütte zu, als hätten sie einander nicht vor wenigen Sekunden umbringen wollen. Olivia blickte ihnen fassungslos nach. Slim kam humpelnd heran und tippte sich an den Hut.
    »Zu blöde mit dem kaputten Bein. Ihr Mann ist ein harter Bursche, aber ich würde gegen ihn antreten. Es würde sich lohnen: Sie sind ein hübsches Weibsbild, eine gute Köchin und können außerdem einen Mann zusammenflicken.«
    Wieder tippte Slim an die Hutkrempe und humpelte hinter den beiden Raufbolden in die Hütte. Olivia hörte die Zwillinge vom Speicher herunterpoltern. Ihre hellen, aufgeregten Kinderstimmen bildeten einen seltsamen Kontrast zum rauhen Lachen der Männer. Olivia stieß einen Laut der Verachtung aus. Montana war nicht nur ein wildes, abgelegenes Land. Es war eine völlig andere Welt.
     
    Ihrem eigenen, rauhen Ehrenkodex folgend, benahmen sich Jeb und Slim nach Gabes errungenem Sieg wesentlich zurückhaltender. Die Blicke, die sie Olivia zuwarfen, waren ein wehmütiger Verzicht, statt gierige Lust. Die Spannung war gewichen. Die beiden Goldsucher machten sich im Haus nützlich, und Gabe ging wieder in die Mine.
    Ellen konnte die ganze Aufregung nicht verstehen. Der Grund für den Kampf der beiden Männer war ihr nicht klar. Das fing schon damit an, daß sie nicht verstand, warum Jebediah es auf Olivia abgesehen hatte. Was sollte ein Mann mit ihr anfangen? Sie hatte keine Ahnung von Hausarbeit, mit ihren Kochkünsten war es auch nicht weit her. Diese Olivia hielt es schon für eine große Leistung, wenn sie mal ein Brot nicht verbrannte und die Pfannkuchen in der Mitte nicht klebrig waren. Sie konnte nicht einmal einer Henne ein Ei unterm Hintern wegholen, ohne dabei gepickt zu werden, geschweige denn einen Hasen häuten. Was sollte ein Mann mit so einer anfangen?
    Doktor war ja schön und gut, überlegte Ellen, aber was nützte das einem Mann?
    Irgendwie hatte Ellen Mitleid mit Olivia. Als gegen Mittag die Sonne ungewöhnlich warm schien, und das Schmelzwasser in Rinnsalen unter der Schneedecke hervorsickerte, blickte die Frau ständig ins Tal des Thunder Creek. Dorthin, wo der Bach in den Elkhorn Creek plätscherte und dann nach Elkhorn floß. Ihr Gesichtsausdruck war besorgt und hoffnungsvoll zugleich. Vermutlich sehnte sie sich nach ihren Freundinnen und Dienstboten und den bequemen Kutschen und den Leuten, die es toll fanden, daß sie ein Doktor war. Die Frau haßte die stille Lichtung und die Hütte, die

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