Die Meerjungfrau
wenn ich
rauche?« fragte ich
»Nur zu«, sagte sie.
Ich zündete mir eine Zigarette
an. »Diese signierte Brille gefällt mir — eine reizende Idee.«
Sie lachte. »Das ist ein tiefes
Geheimnis — daß ich eine Brille trage, meine ich. Sie gehören zu den wenigen
privilegierten Leuten, die das wissen, Max. Ich bin kurzsichtig, und der
Fernsehapparat ist einfach zu weit für mich von der Badewanne weg, als daß ich
ohne Brille klar sehen könnte.«
»Ihr Geheimnis ist bei mir sicher«,
sagte ich. »Unter einer gewissen Bedingung natürlich.«
Sie bewegte die Schultern, und
die Bläschen explodierten aufs gefährlichste. »Würden Sie mir bitte etwas zu
trinken holen, Max? Sie könnten einen Martini mixen — alles Erforderliche
finden Sie in dem Barschränkchen im Wohnzimmer.«
»Gern«, sagte ich. »Sie haben
genau meine Frequenz erwischt.«
Ich ging ins Wohnzimmer und
stellte fest, daß das Schränkchen alle notwendigen Ingrechenzen enthielt, außer Eis. Ich kehrte zum Badezimmer zurück und trat auf die
Schwelle.
Dort erhaschte ich einen
flüchtigen Blick auf eine mit einem heftigen Plumps in den Wellen
verschwindende Nymphe. Gleich darauf tauchte ihr Kopf auf, und sie prustete.
Schaumbläschen bedeckten die Brillengläser, und mir kam der faszinierende
Gedanke, daß ich, falls sie mich durch sie hindurch sehen konnte, wie weiße
Weihnachten wirken müsse.
»Eis?« sagte ich.
»Klopfen Sie eigentlich nie
an?« sagte sie entrüstet. »Ich wollte gerade aus dem Bad steigen.«
»Kein Eis«, sagte ich.
»Die Tür auf der anderen Seite
des Wohnzimmers führt zur Küche«, sagte sie. »Und schließen Sie bitte diese
hier, wenn Sie hinaus gehen.«
»Ja, Ma’am«, sagte ich
unterwürfig. »Wissen Sie was? Es ist ein Jammer, daß Sie in Ihrer Badewanne dem
Fernsehen zuschauen.«
»Warum?«
»Wenn Sie nicht zuschauen
würden«, sagte ich, »brauchten Sie keine Brille zu tragen. Ohne Ihre Brille
sind Sie kurzsichtig. Und wenn Sie kurzsichtig gewesen wären, hätten Sie mich
nicht auf der Schwelle stehen sehen. Nicht war ?«
»Sie sind ein nichtsnutziger
Voyeur«, sagte sie.
»Und was für eine Lady Godiva Sie abgegeben hätten!« sagte ich begeistert. »Nichts
von all dem zimperlichen langen Haar, das sie als Bademantel benutzt hat.«
»Machen Sie, daß Sie rauskommen«,
sagte sie und spritzte Schaumbläschen nach mir. »Sie haben eine schmutzige
Phantasie, Mr. Royal.«
»Sie wird durch den Anblick
korrumpiert«, erklärte ich.
Als ich das Eis zusammen mit
dem Martini im Krug hatte, erschien sie im Wohnzimmer. Sie trug ein schwarzes Negligé,
bei dem man nur das Gefühl haben konnte, es sei ein Glück, daß es schwarz war,
sonst wäre es unsichtbar gewesen. Sie ging zum Sofa und setzte sich. Ich goß
aus dem Krug zwei Gläser ein, trug sie zu ihr hinüber und ließ mich neben ihr
nieder.
»Danke«, sagte sie, während sie
das Glas nahm. »Gibt es inzwischen was Neues über Joe Baxter?«
»Wen kümmert schon Joe Baxter?«
sagte ich. »Wer hätte schon Lust, sich neben ihn zu setzen, auch wenn er ein
schwarzes Negligé anhätte? Reden wir lieber von ihrer faszinierenden Person.«
»Ich wußte vom ersten
Augenblick an, als ich Sie sah, daß Sie ein gefährlicher Typ sind«, sagte sie.
»Mein Leben ist ein offenes Buch mit vielen leeren Seiten. Schalten Sie um acht
Uhr abends jeden Mittwoch WXBS ein, und Sie können die Erfolgsgeschichte der
Helena Cartwright sehen — sofern meine Beliebtheitsquote gleich bleibt.«
»Es klingt so, als ob Sie sich
selbst leid täten«, sagte ich. »Ist das die
Armes-kleines-reiches-Mädchen-Masche oder die Sicher-ich-bin-erfolgreich-aber-so-einsam-Tour?«
»Ich muß zu dick aufgetragen
haben«, sagte sie und zog eine Grimasse. »Aber manchmal habe ich wirklich das
Gefühl, all die simplen Dinge im Leben zu haben, wie zum Beispiel Geld. Aber keins
der wichtigen Dinge. — Warum sehen Sie mich so an?«
»Ich habe mich nur überzeugt«,
antwortete ich. »Sagten Sie nicht gerade etwas von >dick auftragen«
»Sie sind ein Stoffel«, sagte
sie, aber es klang wie ein Kompliment.
»Sie sagten etwas über die wichtigen
Dinge des Lebens?«
»Ich dachte, ich hätte alles,
was sich eine Frau wünschen kann, bis vor drei Wochen...«
»Lassen Sie mich raten«, sagte
ich. »Sahen Sie eine andere Frau, die genau dasselbe Kleid trug, oder ist
vielleicht seine Frau bei Ihnen aufgekreuzt? Jetzt hab’ ich’s! Die neue
Farbzusammenstellung im Wohnzimmer stellte sich als völliges
Weitere Kostenlose Bücher