Die Mehrbegabten
nickte und gab Nick die Bierflasche.
»Das ist Entmenschlichung«, sagte Nick.
»Klar ist es das. Verlassen Sie sich drauf.«
»Ich glaube, Kleo macht sich meinetwegen Sorgen, weil ihr Vater starb, als sie noch sehr jung war. Sie befürchtete, daß alle Männer – « Er suchte nach dem richtigen Wort, konnte es aber nicht finden; seine Gedankengänge waren inzwischen alle ziellos, getrübt und eigenartig. Er hatte so etwas noch nie zuvor erlebt, und es erschreckte ihn.
»Nur ruhig bleiben«, sagte Zeta.
»Ich finde, Kleo ist schal.«
»Schal? Was ist schal?«
»Leer.« Er gestikulierte. »Vielleicht meine ich passiv.«
»Frauen sollen passiv sein.«
»Aber das stört – « Er stolperte über das Wort und spürte, wie er vor Verlegenheit rot wurde. »Es stört bei ihrer Reife.«
Zeta beugte sich vor. »Sie sagen das alles nur, weil Sie Angst vor ihrer Mißbilligung haben.
Sie sagen, sie sei passiv, und dabei ist es genau das, was Sie wollen, was diese Geschichte hier betrifft. Sie wollen, daß sie mittut, ich meine, daß sie billigt, was Sie tun. Aber warum wollen Sie es ihr überhaupt sagen? Weshalb muß sie es wissen?«
»Ich sage ihr immer alles.«
»Warum?« fragte Zeta laut.
»So gehört es sich«, meinte Nick.
»Wenn wir das Bier ausgetrunken haben, gehen wir miteinander wohin. Ich sage nicht, wohin – es ist einfach ein Ort. Wo wir, wenn wir Glück haben, Material bekommen.«
»Sie meinen Minusmensch-Material?« sagte Nick und spürte, wie die Kälte sich um sein Herz legte; er spürte, wie er in gefährliches Wasser gesteuert wurde. »Ich habe schon ein kleines Buch, das ein Freund, der sich für einen – « Er brach ab, weil er den Satz nicht vollenden konnte. »Ich werde keine Risiken eingehen.«
»Das haben Sie schon getan.«
»Aber das genügt mir jetzt«, sagte Nick. »Längst. Hierzusitzen, dieses Bier zu trinken und so zu reden, wie wir geredet haben.«
»Es gibt nur ein Reden, das zählt«, sagte Zeta. »Das Reden von Eric Cordon. Das Echte, nicht die Fälschungen, die auf den Straßen verbreitet werden, sondern das, was er wirklich sagt, worum es eigentlich geht. Ich möchte Ihnen nichts sagen; ich möchte, daß er es Ihnen sagt. In einem seiner Bücher. Ich weiß, wo wir eines bekommen können.« Er stand auf. »Ich spreche nicht von den Worten Eric Cordons. Ich spreche von den echten Worten Eric Cordons, seinen Ermahnungen, Gleichnissen, Plänen, die nur jenen bekannt sind, die wahrlich der Welt der freien Menschen angehören. Nur den Minusmenschen im eigentlichen Sinne, im wirklichen Sinne.«
»Ich will nichts tun, was Kleo nicht billigen würde«, sagte Nick. »Als Ehepaar muß man ehrlich zueinander sein; wenn ich damit weitermache – «
»Wenn sie nicht einverstanden ist, suchen Sie sich eine andere Frau, die es ist.«
»Ist das Ihr Ernst?« fragte Nick. Sein Gehirn war so betäubt, daß er nicht entscheiden konnte, ob Zeta es ernst meinte. Und wenn er es wirklich ernst meinte, ob er damit recht hatte oder nicht. »Sie glauben, das könnte uns auseinanderbringen?«
»Das hat schon viele Ehen auseinandergebracht. Sind Sie denn überhaupt glücklich mit ihr? Vorher haben Sie gesagt, Ihre Frau sei schal. Genauso haben Sie sich ausgedrückt. Und Sie sagten es, nicht ich.«
»Das kommt vom Alkohol«, erwiderte Nick.
»Natürlich kommt das vom Alkohol. In vino veritas«, sagte Zeta und grinste, daß man seine bräunlichen Zähne sah. »Das ist lateinisch. Es heißt – «
»Ich weiß, was es heißt«, entgegnete Nick; er war jetzt zornig, wußte aber nicht, worauf. Auf Zeta? Nein, dachte er, es ist Kleo. Ich weiß, wie sie auf das hier reagieren würde. Wir sollten uns nicht in Gefahr begeben. Wir landen in einem Internierungslager auf dem Mond, in einem dieser grausigen Arbeitslager. »Was kommt zuerst?« fragte er Zeta. »Sie sind auch verheiratet; Sie haben eine Frau und zwei Kinder. Ist Ihre Verant – « Wieder wollte seine Zunge nicht mitmachen. »Wem gilt die erste Pflicht? Ihnen oder der politischen Aktion?«
»Dem Menschen allgemein«, Zeta. Er hob den Kopf, setzte die Flasche an und leerte sie. Dann knallte er sie heftig auf den Tisch. »Gehen wir«, sagte er. »Die Bibel hat recht: ›Ihr werdet die Wahrheit wissen, und die Wahrheit wird euch frei machen. ‹«
»Frei?« antwortete Nick und stand ebenfalls auf – wobei er Schwierigkeiten hatte. »Das ist
das Letzte, was Cordons Bücher für uns bewirken werden. Ein Spürhund erfährt unsere Namen, kommt
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