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Die Mehrbegabten

Die Mehrbegabten

Titel: Die Mehrbegabten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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wenn sie zu ihm zurückgegangen ist – sehe ich nicht, wie ich ihr noch von Nutzen sein könnte.
    »Ich bin froh, daß es für Sie so gut ausgegangen ist«, sagte er.
    »He«, meinte Denny, »haben Sie das von der Amnestie gehört? Und daß sie die Lager öffnen? Me-ensch!« Sein leicht aufgeschwemmtes Gesicht wurde rot vor Erregung, seine Augen tanzten, und er schlug Charley aufs Gesäß. »Und Provoni ist fast schon – «
    »Wollen Sie nicht hereinkommen?« fragte Charley und legte den Arm um Dennys Hüfte.
    »Nein, ich glaube nicht«, erwiderte Nick.
    »Hören Sie«, sagte Denny und ließ sich auf die Hacken nieder, was wohl eine Art Gymnastik war, »ich bin nicht oft so. Es braucht viel, bis ich überlaufe. Und als ich herausfand, daß der Ort nicht sauber war… da bin ich ausgerastet.« Er ging ins Zimmer zurück und setzte sich aufs Sofa. »Ich habe eine Dose Hamm-Bier«, sagte er leiser. »Wir teilen sie uns zu dritt.«
    Alkohol, dachte Nick. Ich trinke mit ihnen, dann bricht der Wahnsinn in uns allen aus.
    Andererseits gab es nur eine Dose. Wie betrunken konnte man von einem Drittel des Inhalts werden?
    »Ich komme auf eine Minute herein«, sagte er, aber was ihn eigentlich dazu bewog, war nicht das Bier, sondern Charley. Er wollte sie ansehen, solange er konnte. Es war bitter, daß sie zu Denny zurückgegangen war; sie hatte ihn, Nick Appleton, damit gewissermaßen zurückgewiesen. Nick hatte das Gefühl, das ihn jetzt erfüllte, bisher nur selten erlebt: Eifersucht. Eifersucht – und Wut darüber, daß sie ihn auf diese Weise betrogen hatte; schließlich hatte er Frau und Kind aufgegeben, sie verstoßen, als er mit Charley seine Wohnung verlassen hatte. Sie waren gemeinsam fortgegangen… zur Druckerei in der 16. Avenue, wie sich herausstellte. Und jetzt, da man den Betrieb bombardiert und gestürmt hatte, war sie wie eine kranke Katze zu dem zurückgekehrt, was sie kannte und begriff, so schrecklich es auch sein mochte.
    Er entdeckte eine Veränderung in ihrem Gesicht. Ihr Gesicht war starr; die Schminke schien auf einer Oberfläche aus Metall oder Glas zu liegen, jedenfalls auf etwas Anorganischem. Das war es: Charlotte war zwar freundlich, sie lächelte auch, aber sie wirkte so spröde und hart wie Glas, und deshalb brauchte sie soviel Schminke – um das zu verbergen, den Mangel an Menschlichkeit.
    Denny schlug sich auf die Schenkel. »Mann! Wir haben jetzt sechshundert Broschüren in der Wohnung«, triumphierte er, »und es gibt keinen Ärger mehr. Haben Sie die Lagerinsassen gesehen?«
    Er hatte sie gesehen, dichtgedrängt auf den Fußwegen. Abgemagert, oft bis zum Skelett, einander schrecklich ähnlich in ihren olivfarbenen Overalls. Und er hatte die RotkreuzVerpflegungsstationen gesehen, die man einrichtete, um sie zu ernähren. Sie waren überall, liefen herum wie Gespenster und schienen sich ihrer neuen Umwelt nicht anpassen zu können.
    Nun, sie hatten kein Geld, keine Arbeit, keine Unterkunft; aber sie waren in Freiheit. Und, wie Denny schon sagte, die Generalamnestie entlastete jeden.
    »Aber mich haben sie nie erwischt«, sagte Denny, rot vor Stolz. »Dafür euch beide. In der Druckerei in der 16. Avenue in einem Zimmer.« Er verschränkte die Hände vor dem Knie, schaukelte vor und zurück; dann sah er Charley an. »Obwohl du dir alle Mühe gegeben hast, daß wir geschnappt werden.« Er griff nach der Dose Bier, betastete sie, nickte. »Noch kalt genug. Okay, hinein ins Traumland.« Er riß den Metallverschluß auf. »Sie zuerst, Appleton, als unser Gast.«
    »Einen kleinen Schluck«, sagte Nick. Er trank.
    »Stellen Sie sich vor, was mit Charley passiert ist«, sagte Denny, als er einen großen Schluck nahm. »Sie glauben wahrscheinlich, daß sie schon einen Tag hier ist, von dem Zeitpunkt an, als sie aus der Druckerei entkam, aber das stimmt nicht. Sie ist eben erst gekommen, sie war auf der Flucht und hat sich versteckt.«
    »Willis Grem«, sagte Nick heiser. Wieder erfaßte ihn die krankhafte Furcht.
    »Weil er die Bettreihen hat, in seinem ›Lazarett‹«, sagte Denny träge. »Aber in Wirklichkeit – «
    »Hör auf«, zischte Charley.
    »Grem hat ihr ein bißchen ›Bettruhe‹ angeboten. Wußten Sie, daß Grem so einer ist, Appleton?«
    »Ja«, sagte Nick gepreßt.
    »Aber ich bin entwischt«, meinte Charley; sie kicherte boshaft. »Sie hatten vier bewaffnete Militärpolizisten, und ich bin entwischt.« Zu Denny sagte sie: »Du weißt, wie ich bin, wenn ich richtig wild werde.

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