Die Meister der Am'churi (German Edition)
ihr Lager aufschlugen, hatte sich die allgemeine Aufregung über Yumari größtenteils gelegt, worüber Jivvin froh war. Auch, wenn Yumari sich nichts anmerken ließ, er wusste, dass sie es hasste, angestarrt zu werden. Ihre laute, fröhliche Art wirkte einnehmend, ein Kreis von Kriegern wie Wandlern hatte sich um sie gebildet, um sie besser kennenzulernen.
„Wie kommt es, dass T’Stor dich erwählt hat?“, fragte Tamu neugierig. Yumari lachte hell auf.
„Nun, das ist etwas langwieriger: Mein Vater war ein Kunstschmied, der in Elon sein Handwerk erlernte. Er hatte sich einen guten Namen geschaffen und schließlich vom obersten Stadtfürsten den Auftrag erhalten, ein neues Geländer für die Brücke zu erschaffen, die den Fluss zwischen den beiden großen Stadtteilen verbindet. Dieses Geländer sollte Abbildungen aller Götter enthalten und von solcher Schönheit sein, dass jeder, der diese Brücke überschreiten wolle, vor Ehrfurcht niederkniet. Selbst dann, wenn er bereits zum tausendsten Mal über diese Brücke gehen wolle. Mein Vater wusste, dass ihm dies nicht gelingen würde. Ihm war bewusst, würde er versagen, wäre er ruiniert und müsste die Stadt verlassen. Ein elendes Leben als Tagelöhner kam für ihn nicht infrage. Also betete er zu T’Stor und versprach, wenn er meinem Vater bei diesem Meisterwerk Hilfe geben würde, wäre das Kind, das seine Frau – also meine Mutter – bald austragen sollte, dem Gott geweiht.“
„Solche Dinge hören doch alle Götter täglich, sie können gar nicht jede Fürbitte erfüllen“, sagte Lynea.
„Das weiß ich, und mein Vater wusste es sicherlich auch. Warum T’Stor ihm die Bitte erfüllte, weiß wohl nur er allein. Jedenfalls half er meinem Vater dieses Geländer zu erschaffen, und es wurde ein Kunstwerk, wie die Welt es noch nicht gesehen hatte.“
„Moment mal – sprichst du etwa von der großen Götterbrücke von Elon? Die Brücke des Rilvo?“, fragte Jivvin plötzlich. „Ich habe sie vor einigen Jahren gesehen, sie ist … einfach unbeschreiblich.“
„Ja“, erwiderte Yumari schlicht. „Rilvo war mein Vater. Er verheimlichte die göttliche Hilfe nicht, dazu war sie zu offensichtlich; wohl aber schwieg er über das Versprechen, das er dafür gegeben hatte. Auch meiner Mutter gegenüber. Er war ziemlich schockiert, als ich geboren wurde: ein äußerst zartes Mädchen, bei dem sich die Wehenfrau nicht sicher war, ob es die ersten drei Tage überleben würde.“ Yumari zog eine Grimasse, als sie alle ungläubig anstarrten.
„Mein Vater bat T’Stor um Vergebung, doch der Gott hat niemals zu ihm gesprochen. Nun, er erhielt eine stattliche Geldsumme als Lohn für die schwere Arbeit, die es trotz aller Hilfe gewesen war, und Dutzende neuer Aufträge dazu. Seit meiner Geburt allerdings glaubte er, T’Stor müsse wütend auf ihn sein und lehnte jede Arbeit ab. Als er dann hörte, dass in dem Dorf, wo meine Mutter geboren wurde, ein Schmied gesucht würde, ist er sofort aufgebrochen. Dort in Ool, wie das Dörfchen hieß, bin ich aufgewachsen.“ Sie blickte zu Jivvin herüber, der sie mit offenem Mund anstarrte. Ool, das war das Dorf, in dessen Nähe er aufgewachsen war! Er konnte es nicht glauben: Er kannte Yumari, und das schon seit vielen Jahren!
„Rila?“, flüsterte er halb erstickt.
„Ja, das kleine dünne Mädchen namens Rila, an das du dich erinnerst, das war ich.“
„Erinnern?“, presste Jivvin hervor, „Wie könnte ich dich je vergessen? Du hast mich schließlich ... Er brach verlegen ab. Yumari schlug ihm lachend auf dem Rücken: „Ganz recht, ich habe dich damals in den Dorfbrunnen geschubst, als du mich geärgert hast, und anschließend deine Brüder verprügelt.“
Jivvin grummelte nur und ließ die spöttischen Blicke seiner Waffenbrüder über sich ergehen.
„Mein Vater kam nicht so ganz damit klar, dass sein mageres Töchterchen so viel Kraft und Wildheit wie ein doppelt so alter Junge besaß, und die braven Leute von Ool kamen noch viel weniger damit klar. Es wagte allerdings auch niemand, sich mit meinem Vater anzulegen und unsere Familie fortzujagen.“
„Und wann bist du so, ähm, massiv geworden?“, fragte Lurez betreten.
„In der Reife, wann sonst? Mit zwölf Jahren begann ich zu wachsen und Muskeln zuzulegen, die meinen Vater gegen seinen Willen überzeugten, mich in sein Handwerk einzuweihen, sowohl Grob- als auch Feinschmiedekunst. Obwohl er es wahrlich versucht hatte, ist es ihm nämlich nicht gelungen,
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