Die Meister der Am'churi (German Edition)
realisierte, dass er attackiert worden war und sein Körper sich aus purem Instinkt wehrte.
Kein Am’churi könnte jemals so etwas tun! Nicht weil sie von Natur aus bessere Menschen wären, sondern weil ihr Gott sie dafür verstoßen würde. Man hatte es Ni’yo angesehen, wie furchtbar das für ihn gewesen war. Wer einmal erwählt wurde, für den konnte es nichts Schlimmeres geben, als dieses göttliche Bewusstsein, die Kraft in seinem Inneren zu verlieren. Es gab nur die eine Erklärung, jener Krieger musste darauf gehofft haben, dass Am'chur ihn von sich stieß, was in etwa dasselbe war, als würde man sich freiwillig beide Beine abhacken. Unvorstellbar, was ihn dazu getrieben haben konnte – aber wie Jivvin bereits gesagt hatte, im Krieg geschahen schlimme Dinge ...
„Er hat sie umgebracht!“, brüllte Brynn und schlug Lurez ins Gesicht, als der sich gerade frei gewunden hatte und selbst angreifen wollte. Zwar eher leicht und mit der flachen Hand, doch Lurez verlor dadurch für einen Moment die Orientierung und fand sich einen Augenblick später hilflos auf dem Rücken wieder, mit einem vor Zorn bebenden Wandler auf seinem Bauch kniend, der ihn mit aller Kraft niederhielt. Lurez bekam keine Luft mehr, er konnte nichts tun als stillliegen und auszuharren, bis Brynn merkte, dass er den Kampf bereits gewonnen hatte. Hoffend, dass Brynn ihn tatsächlich nur besiegen wollte, statt ihn für seine Rache zu benutzen.
„Er hat sie abgeschlachtet, mich gepackt und mit Lederriemen meine Handgelenke links und rechts an Baumstämme gefesselt. Ich lag auf den Knien, und die Riemen waren so stramm gespannt, dass ich mich nicht zum Wolf zurückwandeln konnte, ohne mir dabei mindestens einen Arm auszureißen. Dann hat er sich vor mich hingestellt und gesagt, er würde mich verschonen, wenn ich seinen Schwanz sauber lecke, mit dem er zuvor meine Mutter geschändet hatte. Er hatte es auf Am'churs Namen geschworen!“
Lurez spürte die bitteren Tränen, die auf ihn tropften. Brynns Gesicht schwebte kaum eine Handspanne über dem seinen, und war zu einer Grimasse des Zorns und der Trauer verzerrt. Am liebsten hätte er geschrien, mit ihm gemeinsam geweint über das, was man ihm angetan hatte. Er konnte nichts tun, um zu helfen. Nicht einmal sich selbst ... Doch nun schien Brynn endlich zu merken, dass sein Gegner besiegt war und gerade unter ihm zu ersticken drohte; rasch nahm er etwas Gewicht von Lurez’ Körper.
„Ich hätte es getan, verstehst du? Auch wenn ich wusste, dass dieser Bastard sich nicht daran halten würde, dass sein Eid auf Am’chur wertlos war. Ich hätte es getan in der Hoffnung, dass er mich nicht ebenfalls abschlachtet.“ Er schüttelte den Kopf, atmete tief durch und wurde langsam ruhiger. „Zuvor sind dann andere Am’churi gekommen, blutüberströmte Monster mit Drachenfratzen und halbmenschlicher Gestalt. Sie haben ihn überwältigt und mich befreit. Aber anstatt dieses Schwein zu töten, haben sie ihm bloß die Hände gebrochen und ihn fortgeschickt. Als ob das irgendetwas nutzen würde, so schnell wie ihr heilt!“ Die letzten Worte flüsterte Brynn nur noch, ohne Lurez anzusehen. „Derjenige, der mich losschnitt, ist jetzt euer oberster Großmeister, ich habe ihn an seiner Witterung erkannt. Tamu, nicht wahr? Er hielt mich davon ab, diesem Verräter die Augen auszukratzen … Dann sagte er, dass er mich mitnehmen würde. Kannst du dir vorstellen, wie es für mich war, in ein schwarz geschupptes Echsengesicht zu starren, von einer riesigen Drachenklaue gehalten zu werden, und eine kaum menschliche Stimme sagt, dass ich mitkommen soll? Ich habe mich verwandelt und bin gelaufen, bis ich zusammenbrach. Irgendwann habe ich Unterschlupf in dem Rudel gefunden, das inzwischen von Lynea geführt wird. Sie hat sich damals wie eine Mutter um mich gekümmert, obwohl wir ungefähr gleichaltrig sind.“
Abrupt warf Brynn sich über ihn und biss ihm in die Kehle. Lurez schrie unterdrückt auf, wehrte sich aber nicht und harrte still aus, bis er von ihm abließ. Lurez spürte, wie ihm Blut über den Hals rann; doch er war nicht ernstlich verletzt.
„Du warst nicht ganz bei der Sache, wie es scheint, Am’churi?“ Brynns Stimme klang ein wenig nach schlechtem Gewissen, auch wenn sein Blick kalt und hart auf ihm ruhte. Er strich über Lurez’ Kehlkopf, der sich in der überstreckten Haltung hervorwölbte, und verrieb das rote Nass zwischen seinen Fingern.
„Ich selbst anscheinend auch nicht“,
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