Die Meister der Am'churi (German Edition)
sondern nur ein wenig ungestört bleiben ... So war es doch?
Lurez konnte sich gerade noch daran hindern zusammenzuzucken, als Brynn unvermittelt menschliche Gestalt annahm und nun wieder in all seiner nackten männlichen Schönheit vor ihm stand. Der Wolfswandler musterte ihn, gewiss hatte er Lurez’ Unbehagen längst gewittert.
„Wie wäre es mit einer kleinen Wette?“, fragte Brynn mit einem undeutbaren Lächeln. „Wenn ich dich besiege, darf ich eine Stunde lang mit dir tun, was ich will, und umgekehrt. Was sagst du? Traust du dich?“
Lurez beobachtete ihn, ließ sich Zeit mit der Antwort, während er versuchte abzuschätzen, ob der Wandler ihm eine Falle stellte.
Schließlich nickte er knapp, er konnte und wollte sich nicht die Blöße geben, vor einem Muriakind Feigheit zu zeigen. Auch, wenn ihm klar war, dass Brynn genau darauf vertraute.
„Sofern du die Gesetze der Ehre respektierst, bin ich einverstanden.“ Rasch legte er Stiefel, Hemd und alle Waffen ab und baute sich vor seinem Gegner auf.
„Ehre, gewiss.“ Brynn verzog verächtlich die Mundwinkel. „Die Ehre der Am'churi!“
„Was ist daran falsch?“ Lurez hielt ihn fest im Blick, während sie sich langsam umkreisten.
„Ehre und Krieg sind Worte, die nicht in ein- und denselben Satz zusammengehören!“ Brynn spie ihm diese Worte regelrecht entgegen, voller Zorn und Hass. „Ich bin als Wandler geboren, meine Eltern waren beide Muriakinder. Vor über fünfzehn Jahren haben wir friedlich in Lynnenfels gewohnt, wenn dir das etwas sagt.“
Lurez musste einen Moment nachdenken, doch dann riss er die Augen auf, als er verstand: Um Lynnenfels, eine reiche Handelsstadt am Rand der Salzwüsten, hatte es kriegerische Auseinandersetzungen zwischen gleich drei Fürsten gegeben, die die Stadt und damit die Kontrolle über den Salzhandel an sich reißen wollten. Die Lynnenfelser, die unabhängig bleiben wollten, hatten die Am'churi gerufen. Wie stets in solchen Fällen oblag es allein der Entscheidung des Tempelvorstehers, ob die Drachenkrieger diesem Ruf folgten oder nicht und welche Seite sie unterstützten. Die Götter mischten sich niemals ein, es war schon viel, wenn Am’chur seinen Dienern einen Hinweis gab, welche Folge eine Entscheidung haben könnte. Das Ziel der Am’churimeister war das Gleichgewicht der Kräfte. Griffen sie in einen Kampf ein, hofften sie, dadurch langfristig Frieden in einer Region zu bringen. In diesem Fall hatte Leruam entschieden, Lynnenfels zu unterwerfen und unter die Herrschaft desjenigen Ashin zu stellen, der über das größte Fürstentum gebot und stark genug war, Frieden zu garantieren. Was er nicht wusste, war, dass der Ashin von Lynnenfels freie Am’churi verpflichtet hatte, Krieger, die den Tempel verlassen hatten und sich als Kämpfer verdingten, nachdem er erfuhr, dass die Tempelmeister sich gegen ihn gewandt hatten. Wenn sie erst einmal geschworen hatten, einen Kriegsherren zu unterstützen, mussten sie dem Folge leisten, gleichgültig, was es sie kosten mochte – der Hauptgrund, warum Am’churi sich selten darauf einließen. Lynnenfels war ein blutiges Desaster geworden, in dem am Ende Am’churi gegeneinander kämpften und viele unschuldige Menschen getötet wurden.
Betroffen blickte Lurez den jungen Mann an, der ihn aufmerksam beobachtete, dabei seinen Körper auf Spannung hielt, um sich jederzeit verteidigen zu können.
„Es war ein Am’churi, der uns abfing, als wir fliehen wollten, ich konnte den Drachen an ihm wittern. Er war betrunken und in menschlicher Gestalt und trotzdem konnte er meine Eltern überwältigen, weil er mir sein Schwert an die Kehle setzte und sagte, dass er mich verschonen würde, wenn sie vor ihm niederknien. Er hatte es auf seine Ehre geschworen!“, schrie Brynn, und der Hass in seinen Bernsteinaugen zeugte davon, dass er diesen Schmerz in all den Jahren nicht hatte loslassen können.
„Er köpfte meinen Vater und vergewaltigte meine Mutter. Er hinderte sie daran, sich zu verwandeln und zu fliehen, indem er ihr ununterbrochen ausmalte, was er mit mir anstellen würde, sollte sie es dennoch versuchen. Ich habe ihn mehrmals angegriffen, mich abwechselnd in einen Menschen verwandelt, um sein Schwert zu packen und in einen Wolf, um ihn zu beißen, aber nun, ich war ein elfjähriger Welpe.“ Übergangslos warf er sich auf Lurez und brachte ihn mit seinem Gewicht zu Fall. Lurez war zu schockiert, um gegenzuhalten, er lag schon am Boden, bevor er überhaupt
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