Die Melodie des Todes (German Edition)
lag. Es waren die Aufzeichnungen des schwedischen Spielmanns Jon Blund. Er blätterte bis zu einem Lied, das ihm besonders gut gefiel. Es hieß »Der Güldene Frieden«. Er las den Text, in dem es um tiefen Schlaf und süße Träume ging, einen Schlaf, wie er ihn sich mehr als alles andere wünschte. Er bemerkte, dass dieses Lied das Letzte im Buch notierte war. Die folgende Seite war rausgerissen und die restlichen Seiten des Buchs waren leer. Er löste die Seiten mit dem Lied heraus und legte das Notizbuch in den Kasten mit dem Anfeuerholz. Im Herbst würde er es schon zu nützen wissen. Dann drehte er sich zu Torp um, der sich an den anderen Schreibtisch gesetzt hatte und irgendwelche sehr wichtigen Papiere zu lesen schien.
»Eine Sache muss noch erledigt werden, bevor ich mich wieder mit ganzer Kraft der Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung auf den Straßen Trondheims widmen kann«, sagte er. »Bis dahin müsst Ihr das Chaos so gut es geht in Schach halten, mein werter Torp. Ich schlage vor, Ihr fangt mit dem verschimmelten Brot an. Das scheint eine ernste Sache zu sein, die der Stadtkasse eine nicht unerhebliche Summe einbringen könnte.«
Bayer faltete die Zettel mit dem Lied zusammen, steckte sie in seine Westentasche und ging nach draußen.
»Ihr wollt nur drei Drucke?«, fragte Drucker Winding und hielt die Blätter hoch in die Luft, als könnte er sie von unten besser lesen.
»Mehr kann ein armer Polizeimeister sich nicht leisten, fürchte ich«, sagte Bayer und lächelte entschuldigend.
»Warum gebt Ihr nicht einen weniger kostbaren Druck in Auftrag? Ohne die Lithografie auf der Vorderseite, die Ihr mir beschrieben habt, obgleich wir natürlich auch in der Lage sind, diese zu Eurer ganzen Zufriedenheit umzusetzen. Ich habe gute Handwerker in meiner Werkstatt, einige der Besten des ganzen Königreichs, wenn ich das so sagen darf. Aber es kostet Zeit und Geld, ein solches Bild zu schneiden.«
»Aber genau so will ich es haben«, sagte Bayer entschlossen.
»Das kostet dann aber dementsprechend. Ich werde es allerdings nicht vor Ende Juli fertig haben. Am Morgen des dritten Juli liefere ich nämlich die erste Ausgabe dieser Zeitung für das Adresskontor aus. Euren Druck könnte ich dann etwas später, aber noch am gleichen Tag fertig haben.«
»Ausgezeichnet, am gleichen Tag wie Nissens Druck. Dann will ich aber auch das Datum auf dem Titelblatt haben, sozusagen als Erinnerung.«
»Gut. Ihr wollt also das geschilderte Bild mit den schlafenden Menschen, den Titel ›Der Güldene Frieden‹, das Datum und den Namen Jon Blund auf dem Titelblatt haben, zusammen mit dem Text, der das Lied beschreibt. Und die drei nachfolgenden Seiten mit Text und Melodie. Dieser Auftrag könnte einer meiner schönsten Drucke werden«, sagte Winding zufrieden. »Ich müsste Euch allerdings darum bitten, im Voraus zu bezahlen.«
Bayer holte seine Geldbörse heraus und leerte sie auf dem Tresen des Buchdruckermeisters aus. Dann verabschiedete er sich und ging zurück zu seiner Bleibe. Im Schlafzimmer kniete er sich hin und holte etwas unter dem Bett hervor. Es war der große, schwere Metallgegenstand, der im Hinterhof des Guts Ringve vergraben worden war. Er nahm ihn mit und ging zu Fuß zu Søren Engels Palais.
Auch dieses Mal öffnete ihm der dunkelhäutige Diener. Sie machten beide ein paar Scherze, bevor der Diener ihn wie bei seinem letzten Besuch, in die Bibliothek führte.
»Entschuldigt, wollt Ihr, dass ich … diesen Gegenstand für Euch aufbewahre?«, fragte der Diener und zeigte diskret auf Bayers Hände.
»Nein, danke. Ich wollte mich mit dem Herrn über dieses Ding beratschlagen«, antwortete Bayer.
Søren Engel ließ ihn beinahe eine halbe Stunde warten. Das machte Bayer aber nichts aus, da ihm gleich nach seiner An kunft eine Flasche Wein auf den Tisch gestellt worden war. Außerdem hatte er sich zu seiner Zerstreuung ein Buch aus dem Regal gezogen, eine Ausgabe des Dramas La vida es sueño des spanischen Dramatikers Pedro Calderón de la Barca. Mit diesem Buch verging die Zeit wie im Flug.
»Verzeiht mir«, sagte Herr Engel. »Aber ich bin ein viel beschäftigter Mann. Wenn Ihr Euren Besuch vorher angemeldet hättet, wäre es leichter für mich, Euch zu empfangen.«
»Ich habe nichts dagegen, einen Moment zu warten. Erst recht nicht bei so süßem Wein und so kluger Lektüre«, sagte Bayer munter und legte das Buch, in dem er gelesen hatte, neben sich auf den Tisch.
Engel lächelte breit.
»Wisst
Weitere Kostenlose Bücher