Die Melodie des Todes (German Edition)
sich vom Rest der Welt losgelöst und triebe jeglicher Schwerkraft trotzend allein und ohne Gnade ins Universum hinaus.
Stück für Stück und wild durcheinander kamen ihm Bruchstücke der Gespräche in den Sinn, die er seit Beginn der Ermittlungen mit Mona Gran geführt hatte. Er erinnerte sich daran, dass sie ihm von ihrem Arzttermin erzählt hatte und von der geplanten künstlichen Befruchtung. Nur zwei Tage später hatten ihr Leben und damit all ihre Träume auf diesem Sofa ein jähes Ende gefunden.
An diesem Punkt endete alles.
In einer Stunde stand irgendein armer Kollege von ihm drau ßen in Tyholt im Schneegestöber, bis Mona Grans Lebens gefährte ihm die Tür öffnete. Und dieser Kollege würde ganz genau wissen, dass er das Leben des Mannes, der vor ihm stand, in tausend Stücke zerschlug.
Singsaker stand auf und taumelte schwindlig aus dem Haus. Draußen im Neuschnee auf der Treppe kniete er sich erneut hin, ohne sich darum zu kümmern, wie angreifbar ihn das für einen möglichen weiteren Angriff von Røed machte.
Er wählte Brattbergs Nummer.
»Er ist hier. Er ist zurück in Heimdal. Und er hat Mona umgebracht«, war alles, was über seine Lippen kam.
Und erst da wurde ihm bewusst, dass er seine Kollegin zum ersten Mal beim Vornamen genannt hatte.
Brattberg war schockiert und wollte mehr wissen, aber Sings aker konnte nicht mehr sagen und antwortete bloß: »Kommt her. Kommt alle her! Schnell!«
Dann legte er auf und in ihm wurde alles schwarz.
*
Draußen hatte kein Polizeiwagen gestanden. Die Axt hatte in der Garage gelegen und irgendwie hatte es sich ganz natürlich angefühlt, sie mitzunehmen.
Das Knacken, als die Klinge in ihren Hinterkopf eindrang, hatte ihn verwirrt und zurück zu Julie gelenkt. Als sie das Blut an seinen Fingern sah, schloss sie die Augen und hörte zu zittern auf. Den halbtoten Blick, den sie ihm zuvor zugeworfen hatte, kannte er von Anna und seiner Mutter. Als wäre er durch und durch böse.
Wie sollte er sie jetzt zum Singen bringen?
Dann war er zurück ins Haus gegangen und hatte den Polizisten zur Tür reinkommen sehen. Es war einer der beiden Polizisten aus Kindertagen. Der Gleiche, der in Ringve gewesen war und ihn bei ihrem Gespräch um ein Haar durchschaut hatte. Er beobachtete ihn durch den Spalt der offenstehenden Schlafzimmertür. Er kniete vor dem Sofa und der toten Polizistin wie vor einem Altar. Danach stand er auf und ging wieder nach draußen.
Als der Polizist weg war, ging er ins Wohnzimmer und zog die Axt mit einem schmatzenden Laut aus ihrem Schädel und fragte sich, ob er jemals wieder schlafen konnte.
Er wischte die Klinge der Axt am Sofa ab und ging nach draußen.
*
Singsaker rieb sich Schnee ins Gesicht, um wieder zu sich zu kommen. Innerlich kochte er. Dann stand er auf und trampelte auf der Stelle. Am liebsten wäre er wieder ins Haus gegangen, hätte die Axt genommen und Jagd auf Røed gemacht. Stattdessen hämmerte er mit bloßen Fäusten auf die Hauswand ein, bis seine Knöchel zu bluten anfingen und es rot in den Schnee tropfte. In diesem Moment bemerkte er die Blutspur, die von der Tür um die Ecke des Hauses herumführte. Das war nicht sein Blut. Er schaltete das Licht an seinem Handy ein und folgte den Spuren. Von der Hausecke führte die Spur mit regelmäßigen Tropfen zu dem Haufen hinter der Garage. Dann fand er zurück zu den Gedanken, die er in dem eiskalten Wasser gehabt hatte. Sie waren um das Schneeräumen gekreist. Die beiden riesigen Haufen, die Røed auf seinen beiden Grundstücken zusammengeschoben hatte, waren irgendwie auffällig.
Er ging jetzt ganz langsam, versuchte, keine Geräusche zu machen, während er durch den hohen Schnee ging. Auf der Rückseite des Haufens, der sich ein Stück weit die Böschung hinter der Garage nach unten zog, sah er die Öffnung, die in ein Art dunklen Tunnel zu führen schien. Er bückte sich und wollte hineinleuchten. In diesem Moment hörte er hinter sich ein Knirschen im Schnee. Er schwang herum und sah die Axt kommen.
*
Julie Edvardsen blinzelte, sie war schrecklich müde. Ihr war so kalt und sie war komplett durchgefroren, als er sie an den Haaren aus dem Auto und hierher gezerrt hatte. Danach hatte sich die Kälte gelegt und war durch ein beinahe angenehmes Gefühl von Taubheit ersetzt worden. Und die unbändige Lust zu schlafen. Die Augen fielen ihr immer wieder zu.
Ich darf nicht einschlafen, dachte sie. Ich darf nicht schlafen, dann holt er mich. Dann stößt er mir das
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