Die Melodie des Todes (German Edition)
zwi schen den Bäumen und bogen dann in Richtung Motorradclub ab, der in dem alten Bunker unter dem Lille Kuhaugen lag. Die Einfahrt zum Club zweigte etwa fünfzig Meter weiter oben von der Ludvig Daaes gate in Richtung der Rosenborg- Schule ab. Auch die Fußspuren verschwanden langsam unter dem Schnee. Sie drehte sich um und lief die wenigen Meter aus dem Wald. Ihr Hund hörte zu bellen auf, als sie wieder auf der Straße standen. Seltsamerweise vermittelte ihr das kleine Geschöpf ein Gefühl von Sicherheit, auch wenn ihr vollkom men klar war, dass ein einjähriger Zwergdackel nichts gegen den Unmenschen ausrichten konnte, der für die Grausamkeiten verantwortlich war, die sie gerade gesehen hatte.
Dann nahm sie ihr Handy und wählte den Notruf.
*
Er war in Richtung Bunker gegangen. Von seinem Platz aus konnte er sie genau beobachten. Sie bückte sich und tätschelte den Hund, der zum Glück mit der Kläfferei aufgehört hatte. Er konnte Bellen nicht ertragen. Das ließ seinen Kopf immer so schrecklich kribbeln. Er atmete so tief wie nur möglich.
Die Frau nahm ein Handy aus der Tasche und wählte eine Nummer.
Er blieb stehen und sah ihr beim Telefonieren zu. Ihre schrille Stimme drang zu ihm, ihre Worte verstand er aber trotzdem nicht. Seine Spuren schneiten langsam zu, doch die Tote war gefunden worden, bevor sie unter dem weißen Mantel des Vergessens verschwunden war. Aber spielte das eine Rolle?
Er ging einen Umweg, ehe er das Auto holte und zurückfuhr zu dem Bett mit der gelbbraunen Decke, zu den Stunden traumlosen Schlafs.
3
H auptkommissar Odd Singsaker sah ein, dass er zu pessimis tisch gewesen war, als er sich nach seiner Scheidung im letzten Sommer ein neues Bett gekauft hatte. Irgendwie war er davon ausgegangen, den Rest seines Lebens alleine zu schlafen, weshalb er sich für ein Einmannbett entschieden hatte. Für eine Person war es recht geräumig, aber viel zu schmal, um es mit einer amerikanischen Ermittlerin zu teilen, die wie eine hellwache Schlange schlief und ihn ständig in schläfrigen Liebkosungen berührte. Ein unhaltbarer Zustand, wenn man auch mal schlafen wollte, was ja durchaus vorkam.
Es war zwei Uhr nachts, und er war von Felicias Hand auf seiner Schulter aufgewacht. Er schob sie beiseite und legte sie vorsichtig auf die Decke. Dann lag er da und lauschte im Dunkel ihrem Atem, während er an den Traum dachte, den er vor dem Aufwachen gehabt hatte. Er hatte mit ihr gestritten, ein idiotischer Streit, wie man ihn nur im Traum haben konnte. Es war um Musik gegangen, darum, dass er niemals Musik hörte, auf jeden Fall nicht freiwillig. Diese Information hatte sie so hart getroffen, dass sie auf der Stelle in die USA zurückkehren wollte, wenn sich das nicht änderte. Was sagte man dazu? Er schwitzte so heftig, dass es aus seinen Ärmeln tropfte.
In diesem Moment hatte Felicias Hand ihn aus dem Traum gerissen. Er war erleichtert. Weder wollte sie abreisen, noch hatte er geschwitzt. Er fragte sich, ob in dem Traum eine versteckte Botschaft lag, fand aber keine. Er hatte Felicia längst gestanden, dass er ein Musikmuffel war und sie hatte nur gelacht, als er ihr zu erklären versucht hatte, dass die Musik seine Gedanken störte.
»Musst du denn immer denken? Die ganze Zeit?«, hatte sie gefragt.
»Ja, ich glaube, das muss ich«, lautete seine Antwort.
Er blieb liegen und starrte an die Decke. Neben ihm drehte Felicia sich schmatzend um.
Ich habe Angst, sie zu verlieren, dachte er. So einfach ist dieser Traum zu deuten. Außerdem zeigte er ihm zum wiederholten Male, dass er noch immer nicht richtig verstanden hatte, warum Felicia Stone nach den Ereignissen im Herbst in Trondheim geblieben war. Warum hatte sie sich für ihn entschieden?
Es dauerte lange, bis er wieder einschlief, um gleich darauf vom Klingeln seines Handys geweckt zu werden. Er nahm das Handy vom Nachttisch.
Der Wecker zeigte 4.03 Uhr. Einen Augenblick lang blieb er liegen und starrte auf das Gerät, das in seiner Hand vibrierte. Auf dem Display stand der Name seiner Chefin, der Leiterin des Dezernats für Gewalt- und Sittlichkeitsverbrechen, Gro Brattberg.
Dreißig Minuten später stand Odd Singsaker im Schneetreiben oben in der Ludvig Daaes gate und stellte fest, dass er unter der Jacke noch immer sein Pyjamaoberteil trug. Das Anziehen war an diesem Morgen für den zerstreuten Ermittler wohl etwas zu schnell gegangen. Andererseits wärmte ihn der dicke Flanellpyjama wunderbar, den seine Ex-Frau Anikken ihm
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