Die Melodie des Todes (German Edition)
sie über ihre nächsten Schritte nach.
»Kein Versteck mehr, aber weg ist er trotzdem«, sagte Sings aker trocken.
»Wir finden ihn«, meinte Brattberg.
»Aber finden wir auch das Mädchen?«
»Wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben.«
»Inzwischen wissen wir etwas mehr über ihn«, warf Jensen ein. »Zum Beispiel, dass er ein Auto hat, einen alten roten Saab 9000. Sein Nachbar meinte, dass er den Wagen nur selten nutzt, aber heute Morgen ist er damit weggefahren.«
»Ich habe den Wagen gesehen, der stand hier, als ich gekommen bin«, sagte Singsaker und beschrieb das Auto.
»Dann kann er sie theoretisch überall hingebracht haben«, sagte Brattberg. »Wir müssen sofort eine landesweite Fahndung nach dem Auto rausgeben.« Sie nahm ihr Handy.
»Es ist kaum zu glauben, dass der sich hier aufgehalten hat. Keine fünfzig Meter vom Fundort von Silje Rolfsen entfernt. Er war die ganze Zeit über direkt vor unserer Nase. Wahr scheinlich war er wirklich so dreist, sie über die Schulter zu le gen und zum Waldrand auf der anderen Straßenseite zu tragen«, sagte Jensen. »Kein Wunder, dass Grongstad keine Spuren von geparkten Autos gefunden hat.«
Während Jensen sich diesen Betrachtungen widmete, rief Brattberg in der Einsatzzentrale an und gab Anweisungen durch.
Singsaker seufzte tief und blieb in Gedanken versunken stehen, bis sie aufgelegt hatte.
»Grongstad hat in Heimdal ein paar interessante Papiere gefunden«, sagte sie und legte das Handy weg. »Unter anderem einen alten Bänkellieddruck, vermutlich das Original, das aus der Gunnerusbibliothek gestohlen worden ist. Vielleicht gibt uns auch das einen Einblick in seine Denkweise. Könntest du deine Bibliotheksfreundin bitten, sich den Druck mal anzuschauen, ob er wirklich echt ist? Ich habe ihn im Auto.«
Singsaker ging mit Brattberg und bekam das Dokument aus gehändigt. Dann setzte sich jeder in seinen Wagen. Singsakers Kopf dröhnte, als pumpe sein Hirn und nicht das Herz das Blut durch den Körper. Er machte sich Vorwürfe. Er hätte erkennen müssen, dass Røed im Haus war. Das frisch geschnittene Brot in der Küche und der aktive Laptopbildschirm hätten Hinweise genug sein müssen.
Jetzt war er ihnen wieder entwischt und sie lagen aufs Neue den entscheidenden Schritt hinter ihm. Die einzige Hoffnung, die sie jetzt noch hatten, war, dass Julie Edvardsen noch am Leben war, auch wenn Singsaker keinen Puls gefunden hatte. Aber vermutlich war sie nur wie er außer Gefecht gesetzt worden.
Aber wo war er? Seine beiden Verstecke hatten sie gefunden. Wohin würde er jetzt gehen? Singsaker starrte ausdruckslos auf den Druck, den Brattberg ihm gegeben hatte. Noch immer spürte er den Puls hinter seiner Schläfe pumpen. Seine innersten Instinkte sagten ihm, dass er das Auto stehen lassen und zu Fuß durch die Straßen jagen sollte, bis er seine Hände um Jonas Røeds Hals legen konnte. Wie hatte es der Kurator aus Ringve nur geschafft, ihn so an der Nase herumzuführen, dass er ihn für einen unschuldigen Fachidioten mit einem seltsamen Faible für Spieldosen gehalten hatte? Er hatte ihn auf die falsche Fährte gelockt, sodass er sich auf Høybråten konzentriert hatte, und ihn jetzt auch noch ein zweites Mal überlistet. Singsaker wusste kaum wohin mit seiner Wut auf sich selbst.
Nur ein Gedanke vermochte ihn zu beruhigen. Røed war mit Julie noch nicht fertig. Die Theorie, dass Felicia ebenfalls in die Hände des Verrückten geraten war, konnte er wohl ein für alle Mal ad acta legen. An keinem von Røeds Verstecken hatte es auch nur den geringsten Hinweis darauf gegeben. Felicia hatte ihn verlassen. So war es. Aber das war so schwer zu akzeptieren, dass sein Hirn nach einer dramatischeren Erklärung gesucht hatte. Er hörte wieder die Stimme von Dr. Nordraak. Er war ein Polizist mit einer absoluten Stärke: seinem klaren Verstand. Und als ihm das bewusst wurde, konzentrierte er sich auf das Bänkellied. Ich verstehe ihn nicht, dachte Singsaker und ich habe keine Zeit, ihm kopflos hinterherzurennen. Das ist vielleicht genau das, was er von mir erwartet. Stattdessen sollte ich das tun, worauf ich mich am besten verstehe. Und in diesem Moment erkannte er, dass Brattberg recht hatte. Der Druck könnte der Schlüssel sein.
*
Felicia Stone schlug die Augen auf und blinzelte in den Raum, sah sich in der bekannten Wohnung um. Es ist gut, bei der Familie zu sein, dachte sie und spürte, wie die Kopfschmerzen und das ewige Schwindelgefühl langsam nachließen.
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