Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...
mein Pferd vor dem Fenster der Kalesche auf die Hinterbeine steigen.
Die Dame erklärte, sie sei die Gattin von Hauptmann Fitzsimons, eilig unterwegs nach Dublin, um ihn dort zu treffen. Ihr Wagen sei von einem Straßenräuber angehalten worden; trotz seiner Bewaffnung sei der Riesentrottel von Diener auf die Knie gesunken; und es hätten zwar dreißig Leute auf dem nahen Feld gearbeitet, als der Schurke sie überfiel, doch habe keiner von diesen ihr helfen wollen, sondern man habe im Gegenteil dem Hauptmann, wie sie den Räuber nannten, viel Glück gewünscht.
«Er ist doch der Freund der Armen», sagte einer. «Also – viel Glück für ihn!»
«Geht das uns denn etwas an?», fragte ein anderer. Und ein Dritter erzählte grinsend, es sei der berühmte Hauptmann Freeny gewesen;
dieser habe die Geschworenen bestochen, sodass sie ihn vor zwei Tagen bei den Assisen 87 zu Kilkenny freigesprochen hätten; er sei daraufhin vor der Kerkertür auf sein Pferd gestiegen und habe am nächsten Tag zwei Anwälte auf der Rundreise im Gerichtsbezirk ausgeraubt.
Ich befahl diesem Lumpenpack, sich wieder an die Arbeit zu machen, sonst würden sie meine Peitsche zu schmecken bekommen, und so gut ich konnte, suchte ich Mrs Fitzsimons in ihrem Kummer zu trösten. Ob sie viel verloren habe? Alles: die Börse mit über hundert Guineen, ihren Schmuck, Schnupftabaksdosen, Uhren und ein Paar diamantbesetzte Schuhschnallen des Hauptmanns. Ich bedauerte sie ehrlichen Herzens für dieses Unglück; und da ich sie an ihrem Akzent als Engländerin erkannte, beklagte ich den Unterschied zwischen den beiden Ländern und sagte, in unserem Land (ich meinte England) seien solche Scheußlichkeiten unbekannt.
«Sind Sie denn auch Engländer?», fragte sie in hörbar überraschtem Ton. Ich antwortete, darauf sei ich stolz, was ja auch stimmte; und ich habe nie einen echten Tory 88 -Gentleman aus Irland getroffen, der nicht gern das gleiche gesagt hätte.
Den ganzen Weg bis Naas ritt ich neben Mrs
Fitzsimons’ Kalesche, und da man sie ihrer Börse beraubt hatte, bat ich um die Erlaubnis, ihr ein paar Münzen leihen zu dürfen, damit sie ihre Ausgaben im Gasthaus bestreiten könne; diese Summe nahm sie mit huldvoller Anmut entgegen und lud mich zugleich liebenswürdig ein, ihre Mahlzeit zu teilen. Auf die Fragen der Dame nach meiner Geburt und Herkunft antwortete ich, ich sei ein junger Gentleman von umfangreichem Vermögen (das stimmte nicht, aber wozu sich selbst schlechtmachen? Derlei Umsicht hatte meine liebe Mutter mich früh gelehrt), aus guter Familie und stamme aus der Grafschaft Waterford; ich sei auf dem Weg nach Dublin, um dort zu studieren, und meine Mutter habe mir fünfhundert pro Jahr ausgesetzt. Mrs Fitzsimons war ebenso mitteilsam. Sie sei die Tochter des Generals Granby Somerset aus Worcestershire, von dem ich zweifellos gehört hätte (das hatte ich zwar nicht, aber natürlich war ich zu wohlerzogen, dies zuzugeben), und wie sie gestehen müsse, sei sie durchgebrannt, um den Fähnrich Fitzgerald Fitzsimons zu ehelichen. Ob ich je in Donegal gewesen sei? Nein? Das sei ein Jammer. Der Vater des Hauptmanns besitze dort hunderttausend acres 89 Land, und Fitzsimonsburgh Castle sei das schönste Herrenhaus
in Irland. Hauptmann Fitzsimons sei der älteste Sohn, und er habe sich zwar mit seinem Vater gestritten, werde aber zwangsläufig das große Landgut erben. Dann erzählte sie mir von den Bällen in Dublin, den Banketten im Schloss, 90 den Pferderennen im Phoenix Park, 91 den Abendgesellschaften und Maskenbällen, bis ich ganz begierig war, an diesen Vergnügungen teilzunehmen; ich grämte mich allein bei dem Gedanken, dass meine Position Verschwiegenheit erforderte, was mich daran hindern würde, bei Hof eingeführt zu werden, dessen eleganteste Zier die Fitzsimons waren. Wie sehr sich ihr lebhaftes Geplauder doch von dem der vulgären Mädchen bei den Zusammenkünften in Kilwangan unterschied. In jedem einzelnen Satz erwähnte sie einen Lord oder eine sonst wie hochstehende Person. Offenbar sprach sie Französisch und Italienisch; von der erstgenannten Sprache verstand ich, wie erwähnt, ein paar Wörter; und was ihren englischen Akzent angeht, so konnte ich diesen vielleicht nicht richtig beurteilen, da sie, um die Wahrheit zu sagen, die erste wirklich englische Person war, der ich je begegnete. Weiterhin empfahl sie mir, hinsichtlich der Gesellschaft, die ich in Dublin treffen würde, sehr vorsichtig zu sein, da es dort
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