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Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...

Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...

Titel: Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manesse-Verlag
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hatte, der Magd und wies sie an, diese wechseln zu lassen und das Abendessen zu beschaffen, was sie auch bald tat; sie brachte ihrer Herrin nur wenige Shilling von der Guinee zurück und sagte, der Fischhändler habe den Rest wegen einer alten Rechnung behalten. «Was für eine riesengroße dämliche Närrin du doch bist, dass du ihm das Goldstück
ausgehändigt hast», röhrte Mr Fitzsimons. Ich weiß nicht mehr, wie viele hundert Guineen er dem Burschen im Lauf des Jahres gegeben zu haben behauptete.
    Unser Abendessen war zwar nicht mit großer Eleganz gewürzt, aber doch mit einem großen Vorrat an Anekdoten über die höchstrangigen Persönlichkeiten der Stadt, mit denen der Hauptmann nach eigenem Bekunden äußerst intimen Umgang pflegte. Um ihm gegenüber nicht ins Hintertreffen zu geraten, sprach ich von meinen Ländereien und meinem Besitz, als wäre ich reich wie ein Herzog. Ich erzählte alle Geschichten über den Adel, die ich je von meiner Mutter gehört, und einige, die ich wohl erfunden hatte; dabei hätte ich begreifen müssen, dass mein Gastgeber selbst ein Hochstapler war, da er meine Schnitzer und falschen Darstellungen nicht bemerkte. Aber die Jugend ist immer zu selbstbewusst. Es dauerte einige Zeit, bis mir klar war, dass ich mit Hauptmann Fitzsimons und seiner Lady eine nicht sonderlich wünschenswerte Bekanntschaft aufgetan hatte, und als ich zu Bett ging, gratulierte ich mir sogar ob meines wundersamen Glücks, gleich zu Beginn meiner Abenteuer auf ein so vortreffliches Paar gestoßen zu sein.

    Die Anmutung des Zimmers, das ich bewohnte, hätte mich wahrhaftig zu der Einsicht bringen sollen, dass sich der Erbe von Fitzsimonsburgh Castle in der Grafschaft Donegal noch nicht mit seinen wohlhabenden Eltern versöhnt hatte; und wäre ich ein englischer Junge gewesen, wären mein Argwohn und Misstrauen wohl sofort geweckt worden. Aber wie der Leser vielleicht weiß, sind wir in Irland nicht so eigen hinsichtlich Sauberkeit, sodass mir die Unordnung meines Schlafgemachs nicht besonders auffiel. Waren denn nicht sogar in Castle Brady, meines Onkels großartigem Herrenhaus, alle Fensterscheiben zerbrochen und mit Lumpen gestopft? Gab es denn an den Türen dort je ein Schloss, und wenn ein Schloss, dann auch eine Klinke oder wenigstens Haken und Öse? Wiewohl also mein Schlafzimmer von diesen und einigen weiteren Mängeln strotzte, wiewohl meine Bettdecke offenbar ein schmieriges Brokatkleid von Mrs Fitzsimons war und mein gesprungener Toilettenspiegel kaum größer als eine halbe Crown, 96 war ich doch an derlei in irischen Häusern gewöhnt und wähnte mich immer noch im Haus eines Mannes von Stand. An den Schubladen gab es keine Schlösser, und wenn sie sich überhaupt öffnen ließen, waren
sie voll von Schminktiegeln meiner Gastgeberin, von Schuhen, Korsetts und Lumpen, sodass ich meiner Garderobe gestattete, im Koffer zu bleiben; nur mein silbernes Toilettenzubehör lege ich auf die löchrige Decke der Kommode, wo es sehr vorteilhaft glänzte.
    Als Sullivan am Morgen erschien, fragte ich ihn nach meiner Stute, der es, wie er sagte, gut ging; danach bat ich ihn laut und in würdevollem Ton, mir heißes Rasierwasser zu bringen.
    «Heißes Rasierwasser!», sagte er; dabei brach er in Gelächter aus (nicht ohne Grund, wie ich zugeben muss). «Wollen Sie sich selbst rasieren? », sagte er. «Und wenn ich Ihnen das Wasser bringe, bring ich Ihnen vielleicht auch gleich die Katze mit, dann können Sie die rasieren.» Als Erwiderung dieser Unverschämtheit warf ich dem Strolch einen Stiefel an den Kopf und saß alsbald mit meinen Freunden im Salon beim Frühstück. Mich erwartete ein herzhaftes Willkommen und dieselbe Tischdecke wie am Vorabend, was ich an dem schwarzen Rand des Topfs für Irish Stew erkannte und an einem Fleck, den beim Abendessen ein Becher mit Porter hinterlassen hatte.
    Mein Gastgeber begrüßte mich sehr herzlich; Mrs Fitzsimons sagte, ich gäbe eine elegante Figur
für den Phoenix Park ab, und ohne Eitelkeit darf ich wohl von mir behaupten, dass Dublin weit weniger ansehnliche Burschen zu bieten hatte als mich. Damals hatte ich noch keine mächtige Brust und keine muskulösen Proportionen wie heute (einzutauschen, o weh!, gegen gichtige Beine und Kalkablagerungen in den Fingern; aber das ist der Lauf der Sterblichkeit), war jedoch fast zu meiner jetzigen Größe von sechs Fuß herangewachsen, und sah, das Haar von einer Spange gefasst, am Hemd einen hübschen Spitzenkragen und

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