Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...
willkommen waren. Sie können sich sicher sein, dass nach dem Essen nie die Karten fehlten und dass die Gesellschaft nicht nur aus Liebe zum Spiel spielte. Zu diesen Zusammenkünften stellten sich immer Leute aller Art ein: junge Männer von in Dublin liegenden Regimentern; junge Schreiber vom Schloss; reitende, weintrinkende, nachtwächterprügelnde städtische Stutzer, von denen es zu jener Zeit in Dublin mehr gab als in jeder anderen europäischen Stadt, die ich kenne. Ich habe nie wieder junge Kerle getroffen, die mit so geringen Mitteln so viel hermachten, nie wieder junge Gentlemen kennengelernt, die, so möchte ich sagen, ein solches Genie für den Müßiggang besaßen; und während ein Engländer mit fünfzig Guineen im Jahr nicht viel mehr tun kann als verhungern und sich in einem Beruf abrackern, wird ein flotter junger Ire sich mit der gleichen Summe Pferde halten, Wein trinken und faulenzen wie ein Lord. Da gab es einen Arzt, der nie auch nur einen Patienten hatte, ebenso wie einen Anwalt ohne jeden Mandanten; keiner
der beiden besaß eine Guinee – aber beide hatten gute Pferde, um im Park auszureiten, und trugen bestes Tuch. Ein munterer Geistlicher ohne Lebensunterhalt, mehrere junge Weinhändler, die mehr tranken, als sie je verkauften, und Männer ähnlichen Zuschnitts bildeten die Gesellschaft in jenem Haus, in das ich unglücklicherweise geraten war. Konnte einem, der sich mit solchen Gefährten abgab, denn etwas anderes zustoßen als Unheil? (Ich habe die Damen der Gesellschaft nicht erwähnt, die vielleicht nicht besser als die Männer waren.) Und in sehr, sehr kurzer Zeit fiel ich ihnen zum Opfer.
Was meine armen zwanzig Guineen angeht, so sah ich mit Entsetzen, wie aus ihnen binnen dreier Tage acht wurden; Theater und Schänken hatten bereits grausame Breschen in meine Börse geschlagen. Zwar hatte ich auch beim Spiel einige Münzen verloren; da ich jedoch feststellte, dass ringsum alle auf Ehre spielten und Schuldscheine ausstellten, zog ich natürlich dieses Zahlungsmittel der Herausgabe richtigen Geldes vor und schrieb Wechsel aus, wenn ich verlor.
Bei den Schneidern, Sattlern und anderen verwandte ich ähnliche Methoden; hier waren mir Mr Fitzsimons’ Behauptungen nützlich, denn
die Kaufleute nahmen ihn beim Wort, was meinen Wohlstand betraf (später erfuhr ich, dass der Schurke mehrere andere junge Männer von Vermögen molk), und lieferten mir eine kurze Zeit alles, was zu bestellen mir gefiel. Schließlich wurde mein Bargeld knapp, und ich war gezwungen, einige der Anzüge zu versetzen, mit denen mich der Schneider versehen hatte, denn von meiner Stute, auf der ich jeden Tag in den Park ritt und die ich als Geschenk meines geschätzten Onkels liebte, mochte ich mich nicht trennen. Auch konnte ich für ein wenig Geld einige Schmuckstücke beleihen, die ich bei einem Juwelier gekauft hatte, der mir Kredit aufdrängte, und war daher imstande, noch eine kurze Zeit den Anschein zu wahren.
Beim Postamt erkundigte ich mich wiederholt nach Briefen für Mr Redmond, doch waren keine gekommen; und in Wahrheit war ich immer recht erleichtert, wenn ich die Antwort «Nein» erhielt, denn ich war nicht eben erpicht darauf, dass meine Mutter Einzelheiten aus dem extravaganten Leben erfuhr, das ich in Dublin führte. Dies konnte jedoch nicht lange währen, denn als meine Barschaft erschöpft war, ich dem Schneider einen zweiten Besuch abstattete und ihn aufforderte, mir weitere Kleider zu machen,
räusperte sich der Kerl, brachte Ausflüchte vor und besaß die Dreistigkeit, um Bezahlung für die bereits gelieferten zu bitten, worauf ich ihm sagte, er habe mich als Kunden verloren, und ihn abrupt verließ. Auch der Goldschmied (ein gemeiner Jude) weigerte sich, mir eine Goldkette zu überlassen, die mir ins Auge stach, und zum ersten Mal empfand ich eine gewisse Ratlosigkeit. Diese wuchs noch, als einer der jungen Gentlemen, der Mr Fitzsimons’ Gästehaus frequentierte und von mir beim Spiel einen Schuldschein über achtzehn Pfund erhalten hatte, die ich beim Pikett 98 an ihn verloren hatte, diesen in die Hände von Mr Curbyn gab, dem Besitzer des Mietstalls, bei dem er eine Rechnung zu begleichen hatte. So stelle man sich meine Wut und Verblüffung vor, als ich meine Stute holen wollte und er sich entschieden weigerte, mich sie aus dem Stall führen zu lassen, wenn ich nicht zuvor den Schuldschein einlöste! Vergebens bat ich ihn, sich einen von vier Wechseln auszusuchen, die ich in der Tasche
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