Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...
nicht die furchtbare Katastrophe geschehen, die mein Glück zerstörte.
Im Hofstaat der Erbprinzessin gab es eine
neunzehnjährige Dame, Herrin über das größte Vermögen im gesamten Herzogtum. Komtesse Ida, so ihr Name, war die Tochter eines verstorbenen Ministers und Favoriten Seiner Hoheit des Herzogs von X. und der Herzogin, welche ihr die Ehre erwiesen hatten, bei ihrer Geburt die Patenschaft zu übernehmen und sie nach dem Tod des Vaters unter ihren erlauchten Schutz und ihre Vormundschaft zu stellen. Mit sechzehn wurde sie aus dem Schloss, in dem man ihr bis dahin zu wohnen gestattet hatte, als eine der Ehrendamen Ihrer Hoheit zu Prinzessin Olivia gebracht.
Die Tante von Komtesse Ida, die bis zu deren Volljährigkeit dem Haus vorstand, hatte ihr törichterweise erlaubt, sich in ihren Vetter zu verlieben, einen bettelarmen Unterleutnant in einem der Infanterieregimenter des Herzogs, und der Bursche hatte sich eingebildet, er könne mit dieser üppigen Prise heimsegeln; und wäre er nicht ein wirklich dämlicher, blöder Tölpel gewesen, so hätte er sich, da er sie ja täglich sah, weit und breit keinen Nebenbuhler und aufgrund der engen Verwandtschaft natürlich innigen Umgang mit ihr hatte, der jungen Komtesse und ihres Besitzes durch eine heimliche Eheschließung versichern können. Er betrieb
die Sache jedoch sehr töricht, ließ es zu, dass sie aus ihrer Abgeschiedenheit für ein Jahr an den Hof ging, um ihren Platz im Hofstaat von Prinzessin Olivia einzunehmen, und dann erscheint dieser junge Gentleman doch tatsächlich eines Tages mit seiner angelaufenen Epaulette 247 und seinem fadenscheinigen Uniformrock beim Lever 248 des Herzogs und hält in aller Form bei Seiner Hoheit als dem Vormund der jungen Dame um die Hand der reichsten Erbin des Landes an!
Die Schwäche des gutmütigen Fürsten war so groß, dass Seine Hoheit sich wohl dazu hätte bringen lassen, der Verbindung zuzustimmen, zumal Komtesse Ida sie ebenso sehr wünschte wie ihr dummer Vetter; doch konnte Prinzessin Olivia bewogen werden, einzuschreiten und vom Herzog ein striktes Veto gegen die Hoffnungen des jungen Mannes zu erwirken. Der Grund für diese Verweigerung war zunächst unbekannt, von einem weiteren Anwärter auf die Hand der jungen Dame war nicht die Rede, und die Liebenden korrespondierten weiter miteinander in der Hoffnung, die Zeit möge einen Wandel im Entschluss Seiner Hoheit herbeiführen, als der Leutnant plötzlich zu einem der Regimenter versetzt wurde, die der Fürst an
die gerade kriegführenden Großmächte zu verkaufen pflegte (dieser Militärhandel war damals eine der wichtigsten Einnahmequellen Seiner Hoheit und anderer Fürsten), und so wurden ihre Beziehungen jäh gekappt.
Es war seltsam, dass Prinzessin Olivia sich gegen die junge Dame stellte, die bisher ihre Gunst genossen hatte; denn ob der romantischen und sentimentalen Vorstellungen, wie sie fast jede Frau hegt, hatte sie Komtesse Ida und ihren mittellosen Liebhaber ein wenig ermutigt, nun aber wandte sie sich plötzlich gegen sie und liebte die Komtesse nicht mehr wie zuvor, sondern verfolgte sie mit allen Formen des Hasses, die eine Frau anzuwenden weiß; der Einfallsreichtum ihrer Quälereien, das Gift ihrer Zunge, die Bitterkeit ihres Sarkasmus und ihres Hohns fanden kein Ende. Als ich an den Hof von X. kam, hatten die jungen Burschen dort der jungen Dame den Spitznamen die «dumme Gräfin» 249 gegeben. Sie war meist schweigsam, hübsch, aber blass, unscheinbar und unbeholfen, interessierte sich nicht für die dargebotenen Zerstreuungen und wirkte inmitten der Festlichkeiten so bedrückend wie der Totenkopf, den die Römer angeblich auf ihre Tafeln stellten.
Es ging das Gerücht, ein junger Gentleman
französischer Herkunft, der Chevalier de Magny, Stallmeister des regierenden Herzogs und in Paris zugegen, als Prinzessin Olivia diesem dort in Abwesenheit anvermählt worden war, sei für die reiche Komtesse Ida auserkoren; eine offizielle Erklärung hierzu war jedoch noch nicht erfolgt, und man flüsterte von finsteren Intrigen, was sich später furchtbar bestätigte.
Dieser Chevalier de Magny war der Enkel eines alten Generals in des Herzogs Dienst, Baron de Magny. Der Vater des Barons hatte Frankreich bei der Vertreibung der Protestanten nach Aufhebung des Edikts von Nantes 250 verlassen und war in den Dienst von X. getreten, wo er starb. Sein Sohn folgte ihm nach, und ganz anders als die meisten gebürtigen französischen Gentlemen, die ich
Weitere Kostenlose Bücher