Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...
kennengelernt habe, war er ein strenger, kalter Calvinist, starr in der Erfüllung seiner Pflicht, von abweisendem Wesen; er verkehrte kaum mit dem Hof und war ein enger Freund und Günstling Herzog Viktors, dem er im Charakter ähnelte.
Der Chevalier, sein Enkel, war ein echter Franzose: in Frankreich geboren, wo sein Vater eine Stellung als Diplomat im Dienste des Herzogs einnahm. Er hatte mit der fröhlichen Gesellschaft des glänzendsten Hofes der Welt verkehrt
und konnte uns endlose Geschichten über die Freuden der petites maisons 251 erzählen, über die Geheimnisse des Palais aux Cerfs 252 und über die wüsten Vergnügungen von Richelieu 253 und dessen Gefährten. Wie sein Vater vor ihm hatte er sich beim Spiel beinahe ruiniert, denn außer Reichweite des strengen alten Barons in Deutschland hatten Sohn und Enkel ein höchst ausschweifendes Leben geführt. Bald nach der Gesandtschaft, die anlässlich der Heirat der Prinzessin dorthin geschickt worden war, kam er aus Paris zurück, wurde von seinem alten Großvater barsch empfangen, doch beglich dieser abermals seine Schulden und besorgte ihm die Stellung im Hofstaat des Herzogs. Der Chevalier de Magny wurde zu einem der Lieblinge seines erhabenen Herrn; er hatte die Moden und Vergnügungen von Paris im Gepäck, organisierte sämtliche Maskeraden und Bälle, rekrutierte die Balletttänzerinnen und war bei Weitem der prächtigste und glänzendste der jungen Edelleute am Hof.
Wir waren seit einigen Wochen in Ludwigslust, da versuchte uns der alte Baron de Magny des Herzogtums verweisen zu lassen; seine Stimme war jedoch nicht stark genug, um die der allgemeinen Gesellschaft zu übertönen, und
besonders der junge Chevalier de Magny bezeigte uns bei Seiner Hoheit die Freundschaft, als die Frage dort erörtert wurde. Seine Liebe zum Spiel hatte den Chevalier nicht verlassen. Regelmäßig frequentierte er unsere Bank, wo er einige Zeit recht glückreich spielte, und als er zu verlieren begann, zahlte er mit einer Zuverlässigkeit, die all jene überraschte, welche von seinen knappen Mitteln und dem Aufwand für sein Äußeres wussten.
Ihre Hoheit Prinzessin Olivia spielte ebenfalls sehr gern. Bei einem halben Dutzend Gelegenheiten, da wir eine Bank bei Hofe hielten, konnte ich ihre Leidenschaft fürs Spiel beobachten. Und ich konnte noch viel mehr sehen – das heißt, mein besonnener alter Onkel konnte es. Zwischen Monsieur de Magny und dieser erlauchten Dame herrschte eine gewisse Übereinkunft.«Wenn Ihre Hoheit nicht in den kleinen Franzosen verliebt ist», sagte mir mein Onkel eines Abends nach dem Spiel, «dann will ich auch mein letztes Auge verlieren!»
«Und was weiter, Sir?», fragte ich.
«Was weiter?», sagte mein Onkel, wobei er mir streng ins Gesicht blickte. «Bist du denn so grün, dass du nicht weißt, was weiter? Du kannst dein Glück machen, wenn du jetzt alles
daransetzt; und in zwei Jahren können wir uns den Barry-Besitz zurückholen, mein Junge.»
«Wie denn das?», fragte ich, immer noch völlig ratlos.
Mein Onkel sagte trocken: «Bring Magny zum Spielen; kümmere dich nicht darum, ob er zahlt; akzeptiere seine Wechsel. Je mehr er schuldet, desto besser; aber vor allem: bring ihn zum Spielen.»
«Er kann doch keinen Shilling zahlen», antwortete ich. «Die Juden werden seine Wechsel nicht einmal mit hundert Prozent Diskont nehmen. »
«Umso besser. Du wirst schon sehen, wie gut wir sie nutzen können», erwiderte der alte Gentleman. Und ich muss zugeben: Der Plan, den er mir darlegte, war kühn, schlau und sehr schön.
Ich sollte Magny zum Spielen bringen; das bereitete mir keine großen Schwierigkeiten. Wir vertrugen uns, denn er war ein ebenso guter Sportsmann wie ich; wir entwickelten eine recht bemerkenswerte Freundschaft; und wenn er einen Würfelbecher sah, ließ er sich durch nichts daran hindern, nach ihm zu greifen; vielmehr verfiel er dem Spiel so zwangsläufig wie ein Kind den Süßigkeiten.
Zunächst gewann er einiges von mir; dann begann er zu verlieren; dann setzte ich Geld gegen einige Juwelen, die er mitbrachte, Familienschmuck, wie er sagte, und wirklich von beträchtlichem Wert. Er bat mich jedoch, sie nicht im Herzogtum loszuschlagen, und darauf gab ich ihm mein Wort, das ich auch hielt. Von den Juwelen ging er über zu Schuldscheinen; und da man ihn an den Tischen bei Hof und in der Öffentlichkeit nicht auf Kredit spielen ließ, war er sehr froh, dass ich ihm eine Möglichkeit bot, seiner liebsten
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