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Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...

Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...

Titel: Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manesse-Verlag
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Nein. Unsere Garderobe war immer noch eine wirklich stolze Summe Geldes wert, denn in jenen Tagen kleideten sich Gentlemen nicht wie Küster, und oft trug einer von Stand Gewänder und Schmuck, die für einen Ladenjungen ein Vermögen bedeutet hätten; ohne auch nur einen Moment zu murren, ohne ein einziges böses Wort (meines Onkels Temperament war in dieser Hinsicht bewundernswert) oder einen einzigen Sterblichen
vom Geheimnis unseres Verlusts wissen zu lassen, versetzten wir drei Viertel unserer Kleinode und Kleider bei Moses Löwe, dem Bankier, und mit dem Erlös aus dem Verkauf und unserem privaten Taschengeld – alles in allem kaum achthundert Louis – zogen wir wieder zu Felde.

KAPITEL 10
Weitere Glückssträhnen
    Ich mag meine Leser ebenso wenig mit einem Bericht über meine berufliche Laufbahn als Spieler zerstreuen, wie ich dies mit Anekdoten aus meinem Soldatenleben getan habe. Wenn ich es wollte, könnte ich Bände mit solchen Geschichten füllen, brächte so aber meine Erzählung erst in vielen Jahren zu einem Ende, und wer weiß, ob ich nicht schon bald zum Aufhören gezwungen bin? Ich habe Gicht, Rheumatismus, Grieß 232 und eine zerrüttete Leber. Ich habe zwei oder drei Wunden am Leib, die hin und wieder aufbrechen und mir unerträgliche Schmerzen verursachen, außerdem kündigen noch hundert weitere Vorzeichen meinen Zusammenbruch an. So zehren Zeit, Krankheit
und Ausschweifung an einer der stärksten Konstitutionen und besten Gestalten, die die Welt je gesehen hat. Ach, an keinem dieser Übel litt ich anno ’66, als es in ganz Europa keinen Mann mit fröhlicherem Gemüt und glänzenderen persönlichen Fertigkeiten gab als den jungen Redmond Barry.
    Vor dem Verrat des Schurken Pippi hatte ich viele der besten Höfe Europas besucht, vor allem die kleineren, die das Spiel förderten und in dieser Wissenschaft Kundige immer willkommen hießen. In den kirchlichen Fürstentümern am Rhein wurden wir besonders freundlich empfangen. Nie habe ich fröhlichere oder schönere Höfe gesehen als die der Kurfürsten von Trier und Köln, wo mehr Pracht und Fröhlichkeit herrschte als in Wien und weit mehr als am jämmerlichen Kasernenhof zu Berlin. Auch der Hof der Erzherzogin und Gouverneurin der Niederlande 233 war für uns Ritter des Würfelbechers und kühne Jünger der Fortuna ein königlicher Ort, wogegen es die knauserigen holländischen oder die armseligen schweizerischen Republiken einem Gentleman unmöglich machten, unbehelligt seinen Lebensunterhalt zu verdienen.
    Nach unserem Missgeschick in Mannheim
begaben mein Onkel und ich uns ins Herzogtum X. Der Leser kann den Ort ganz leicht ermitteln; 234 ich ziehe es jedoch vor, die Namen einiger illustrer Personen, in deren Gesellschaft ich geriet und an deren Seite ich ein sehr seltsames und tragisches Abenteuer erlebte, nicht vollständig zu drucken.
    In Europa gab es keinen Hof, an dem Fremde willkommener waren als am Hof des edlen Herzogs von X.; nirgends wurde das Vergnügen eifriger gesucht und prächtiger genossen. Der Fürst wohnte nicht in seiner Hauptstadt S., 235 sondern ließ, in jeder Hinsicht das Hofzeremoniell von Versailles nachahmend, ein paar Meilen von seiner Metropole entfernt einen großartigen Palast bauen und rund herum eine vortreffliche aristokratische Stadt, bewohnt allein von seinen Edelleuten und den Beamten seines üppigen Hofstaats. 236 Sein Volk hatte natürlich schwer zu schaffen, um diese Pracht zu ermöglichen, denn das Land Seiner Hoheit war klein; als kluger Mann lebte er deshalb in gewissermaßen Ehrfurcht heischender Abgeschiedenheit von seinen Leuten, ließ sich selten in der Hauptstadt blicken und sah nur die Gesichter seiner getreuen Domestiken und Beamten. Der Palast und die Gärten von Ludwigslust 237 waren ganz
nach dem französischen Vorbild gestaltet. Zweimal in der Woche gab es Empfänge bei Hof und zweimal im Monat große Hofbälle. Man unterhielt die beste Oper außerhalb Frankreichs und ein Ballett von unübertroffener Pracht, auf das Seine Hoheit, ein großer Liebhaber von Musik und Tanz, ungeheure Summen verwendete. Vielleicht kommt es mir nur so vor, weil ich damals jung war, aber ich glaube, ich habe nie wieder solch eine Ansammlung glänzender Schönheit gesehen, wie sie dort auf der Bühne des Hoftheaters auftrat: in den großen mythologischen Balletten, die damals Mode waren und wo man Mars in hochhackigen Schuhen mit roten Absätzen sowie Perücke und Venus mit Schönheitspflästerchen und

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