Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...
Prinzen lagen.
Herzog Viktor war fünfzig Jahre alt, seine Prinzessin Olivia kaum dreiundzwanzig. Sie waren seit sieben Jahren verheiratet, und in den ersten Jahren ihrer Ehe hatte die Prinzessin ihm einen Sohn und eine Tochter geboren. Die strenge Moral und Manier, das finstere und unvorteilhafte Äußere des Gatten konnten der glanzvollen und faszinierenden jungen Frau kaum gefallen; sie war im Süden erzogen worden (sie war verwandt mit dem Haus des Herzogs von S.), hatte zwei Jahre in der Obhut von Mesdames, 244 den Töchtern Seiner Allerchristlichsten Majestät, in Paris verbracht und war das Herz und die Seele des Hofes von X., die Fröhlichste der Fröhlichen, Idol ihres erhabenen Schwiegervaters und wahrlich des ganzen Hofes. Sie war nicht schön, aber charmant, nicht geistreich, aber in ihrer Konversation ebenso liebreizend wie als Person. Sie war über alle Maßen extravagant; so falsch, dass man ihr nicht
trauen konnte; aber noch ihre Schwächen waren gewinnender als die Tugenden anderer Frauen, ihr Egoismus entzückender als die Großmut anderer. Ich habe nie eine Frau getroffen, die erst dank ihrer Fehler so anziehend war. Sie ruinierte die Leute, und doch liebten sie alle. Mein alter Onkel sah, wie sie beim Lomber 245 betrog, und ließ sie ohne jegliche Gegenwehr vierhundert Louis gewinnen. Zu den Beamten und Damen ihres Haushalts war sie unausgesetzt launisch, aber sie beteten sie an. Als einziges Mitglied der Herrscherfamilie wurde sie vom Volk verehrt. Wenn sie ausfuhr, liefen die Leute mit Jubelrufen hinter ihrer Kutsche her, und um ihnen gegenüber großzügig zu sein, lieh sie sich von einer ihrer armen Ehrenjungfern (die sie nie bezahlte) den letzten Heller. Anfangs war ihr Gemahl von ihr ebenso fasziniert wie alle anderen; ihre caprices 246 hatten jedoch zu furchtbaren Zornesausbrüchen seinerseits und zu einer noch immer andauernden Entfremdung geführt, unterbrochen nur von an Wahnsinn grenzenden Rückfällen der Liebe. Ich spreche von Ihrer Königlichen Hoheit ganz aufrichtig und voller Bewunderung, obgleich man es mir in Anbetracht ihrer Meinung über mich wohl nachsähe, wenn ich strenger über sie urteilte. Sie sagte, der ältere
Monsieur de Balibari sei ein vollendeter Gentleman, der jüngere habe die Manieren eines Reisedieners. Die Welt hat anders über mich befunden, und ich kann es mir leisten, diese beinahe einzige ungünstige Meinung über mich zu verzeichnen. Überdies hatte sie für ihre Antipathie mir gegenüber einen Grund, den Sie bald erfahren werden.
Fünf Jahre bei der Armee und reiche Erfahrung mit der Welt hatten mir bis dahin all jene romantischen Vorstellungen von der Liebe ausgetrieben, mit denen ich das Leben begonnen hatte; ich war entschlossen, mein Vermögen, wie es einem Gentleman gebührt (denn nur das niedere Volk heiratet aus bloßer Zuneigung), durch eine Ehe zu konsolidieren. Im Verlauf unserer Wanderungen hatten mein Onkel und ich mehrere Versuche unternommen, dieses Vorhaben auszuführen; es war jedoch zu zahlreichen Enttäuschungen gekommen, die hier nicht der Erwähnung wert sind, mir aber bis dahin eine Partie verwehrt hatten, die ich eines Mannes meiner Herkunft, meiner Fertigkeiten und meines Äußeren für würdig befunden hätte. Auf dem Kontinent brennen Damen nicht mit Gentlemen durch, wie dies in England üblich ist (eine Gepflogenheit, von der viele ehrenwerte
Herren meines Landes profitiert haben); Vormünder, Zeremonien und allerlei Schwierigkeiten stellen sich einem in den Weg; man lässt der wahren Liebe nicht ihren Lauf, und bedauernswerte Frauen können ihre ehrbaren Herzen nicht den schneidigen Burschen schenken, die sie erobert haben. Einmal wurde von mir verlangt, bestimmte Summen auszusetzen; dann wieder waren mein Stammbaum und meine Adelsdokumente nicht zufriedenstellend, obgleich ich einen Plan und eine Pachtliste der Ballybarry-Güter besaß, dazu die Genealogie der Familie bis zurück zu Brian Boru oder Barry, sehr hübsch auf Papier gemalt; dann wurde eine junge Dame eilends in ein Kloster verbracht, als sie eben bereit war, in meine Arme zu sinken; bei einer anderen Gelegenheit – eine reiche Witwe in den Niederlanden wollte mich gerade zum Herrn eines noblen Besitzes in Flandern machen – ergeht eine polizeiliche Anweisung, die mich binnen einer Stunde aus Brüssel vertreibt und die um mich Trauernde in ihr Château bannt. Erst in X. hatte ich die Gelegenheit, ein großes Spiel zu wagen, und hätte es auch gewonnen, wäre
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