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Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...

Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...

Titel: Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manesse-Verlag
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seinen Degen gezogen – den Degen, den ich ihm geschenkt hatte, der Schuft! – und erklärt, damit werde er den Mann töten, der Cousin George verwundet habe. Als Mr Runt ihm sagte, dass die Waffe von mir stamme, habe der kleine Schurke geschworen, mich dennoch zu töten! Übrigens schien mich dieser Junge trotz meiner Freundlichkeiten ihm gegenüber immer zu verabscheuen.
    Mylady schickte täglich Kuriere, um sich nach dem Befinden von Lord George zu erkundigen; da ich insgeheim dachte, sie werde sich wohl bemüßigt fühlen, selbst nach Dublin zu kommen, wenn sie erführe, dass er in Lebensgefahr schwebe, ließ ich sie informieren, dass sein Zustand bedenklich sei und sich weiter verschlechtere und dass Redmond Barry deswegen geflohen sei. Ferner sorgte ich dafür, dass die Zeitung «Mercury» von dieser Flucht berichtete, die mich aber nicht weiter als bis nach Bray führte, wo meine arme Mutter wohnte und ich angesichts der Mühen eines Duells ein Willkommen erwarten durfte.
    Jene Leser, deren Gewissen Kindespflichten anhängt, werden sich vielleicht wundern, dass ich noch nichts von der Begegnung mit dieser lieben Mutter geschrieben habe, die in meiner
Jugend solch beträchtliche Opfer für mich gebracht hatte und für die ein Mann meines warmherzigen und liebevollen Wesens nichts als ewig währende und ehrliche Achtung empfinden konnte.
    Wer sich jedoch, wie ich nun, in der erhabenen Gesellschaftssphäre bewegt, muss zunächst seine öffentlichen Pflichten erfüllen, ehe er privaten Neigungen nachgehen kann. Daher sandte ich gleich nach meiner Ankunft einen Boten zu Mrs Barry, meldete meine Heimkehr, versicherte sie meiner Achtung und meines Pflichtbewusstseins als Sohn und versprach, ihr diese persönlich zu erweisen, sobald meine Geschäfte in Dublin mir dies erlaubten.
    Unnötig zu sagen, dass diese Geschäfte recht anspruchsvoll waren. Ich hatte Pferde zu kaufen, meine Wohnung einzurichten, mein entrée in die vornehme Welt zu gestalten; und als ich meine Absicht kundgetan hatte, Pferde zu kaufen und in vornehmem Stil zu leben, wurde ich binnen weniger Tage von derart vielen Besuchen des höheren und niederen Adels behelligt und so sehr durch Einladungen zu Mittag- und Abendessen behindert, dass es für mich einige Zeit überaus schwierig wurde, Mrs Barry meinen innig ersehnten Besuch abzustatten.

    Die gute Seele scheint, sobald sie von meiner Ankunft hörte, ein Fest veranstaltet und dazu all ihre schlichten Bekannten aus Bray eingeladen zu haben; ich versprach Mrs Barry, ihrer bescheidenen Festlichkeit beizuwohnen, wurde aber nachträglich für den festgesetzten Tag von Lord Ballyragget mit Beschlag belegt und war natürlich gezwungen, das Versprechen zu brechen.
    Ich war bemüht meiner Mutter die Enttäuschung zu versüßen, indem ich ihr ein hübsches Satinkleid und einen Samtumhang schickte, die ich für sie bei Dublins bestem Tuchhändler kaufte (übrigens behauptete ich, ich hätte diese eigens für sie aus Paris kommen lassen); aber der Bote, den ich mit den Geschenken losgeschickt hatte, brachte die Päckchen wieder zurück, und das Satinkleid war bis zur Mitte zerrissen. Ich bedurfte nicht seiner Schilderungen, um zu erkennen, dass irgendetwas die gute Lady beleidigt hatte, die, wie er sagte, aus dem Haus trat, ihn an der Tür beschimpfte und ihm Ohrfeigen versetzt hätte, wäre sie nicht von einem Gentleman in Schwarz zurückgehalten worden, von dem ich mit Recht annahm, er sei ihr geistlicher Freund, Mr Jowls.
    Dieser Empfang meiner Geschenke ließ mich
eine Begegnung mit Mrs Barry eher fürchten denn ersehnen und verschob meinen Besuch bei ihr einige weitere Tage. Ich schrieb ihr einen respektvollen, beschwichtigenden Brief, der unbeantwortet blieb, wiewohl ich darin erwähnte, dass ich auf dem Weg zur Hauptstadt in Barryville gewesen sei und die Stätten meiner Jugend besichtigt habe.
    Ich will gern gestehen, dass sie der einzige Mensch ist, vor dem ich Angst habe. Ich erinnere mich gut an ihre Wutausbrüche in meiner Kindheit und an die Versöhnungen, die sogar noch heftiger und schmerzlicher ausfielen. Statt selbst zu reisen, schickte ich daher mein Faktotum Ulick Brady zu ihr, der bei seiner Rückkehr erzählte, er habe einen Empfang erlebt, dem er sich auch für zwanzig Guineen nicht noch einmal unterziehen würde; dass er des Hauses verwiesen worden sei mit der gestrengen Anweisung, mir mitzuteilen, dass meine Mutter mich auf ewig verstoße. Dieser elterliche Fluch, wie man es nennen

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