Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...
Monsieur de Strasbourg ihr Nackenhaar, trennte Olivias kreischendes Haupt vom elenden sündigen Leib, und Weissenborn wurde ohnmächtig. Der Himmel sei ihrer Seele gnädig!»
Dies war die Geschichte, die Madame de Liliengarten erzählte, und der Leser wird ohne Mühe daraus jenen Teil ableiten können, der mich und meinen Onkel betraf. Nach sechswöchiger Haft wurden wir unter der Maßgabe in Freiheit gesetzt, das Herzogtum sofort zu verlassen – ja, es begleitete uns sogar eine Eskorte von Dragonern bis zur Grenze. Was wir an Besitz hatten, durften wir verkaufen und zu Geld machen, aber keine der ausstehenden Spielschulden wurden uns ausbezahlt, und so waren all meine Hoffnungen auf Komtesse Ida zunichte.
Sechs Monate später raffte ein Schlaganfall den alten Souverän dahin, und als Herzog Viktor den Thron bestieg, wurden alle guten alten Gebräuche von X. aufgegeben – das Spiel wurde verboten, Oper und Ballett wurden aufgelöst und die Regimenter, die der alte Herzog verkauft hatte, aus ausländischen Diensten heimgeholt; zusammen mit ihnen kehrte auch der armselige Cousin meiner Komtesse zurück, der Fähnrich, und heiratete sie. Ich weiß nicht, ob sie glücklich wurden. Allerdings hat eine Frau von solch minderem Geist kein sonderliches Maß an Wonne verdient.
Der jetzt regierende Herzog von X. selbst heiratete vier Jahre nach dem Hinscheiden seiner ersten Gemahlin; und Geldern, wiewohl nicht mehr Polizeiminister, ließ das große Haus erbauen, von dem Madame de Liliengarten sprach. Wer weiß, was aus den minderen Akteuren dieser großen Tragödie wurde? Allein Monsieur de Strasbourg konnte sein Amt wieder aufnehmen. Von den Übrigen – dem Juden, der Kammerzofe, dem Spitzel bei Magny – weiß ich nichts. Die scharfen Werkzeuge, mit denen die Großen ihre Unterfangen bestreiten, werden gewöhnlich bei der Verwendung zerbrochen; auch habe ich nie gehört, dass deren
Untergang die Dienstherren sonderlich gekümmert hätte.
KAPITEL 15
Ich mache Lady Lyndon den Hof
Da die Ächtung meines Onkels wegen seiner Parteinahme für den Prätendenten anno 1745 nicht aufgehoben war, wäre es für ihn gefährlich gewesen, mit seinem Neffen ins Land unserer Vorfahren zu reisen, wo den guten alten Gentleman möglicherweise eine Hinrichtung, jedenfalls aber ein langwieriges Gerichtsverfahren mit Haft und ungewisser Aussicht auf Begnadigung erwartet hätte. In jeder größeren Krise meines Lebens war mir sein Rat wichtig gewesen; auch an diesem Scheideweg suchte ich ihn und erbat seinen Ratschluss hinsichtlich meines Werbens um die Witwe. Ich legte ihm den Zustand ihrer Neigungen dar, wie ich sie im vorigen Kapitel beschrieben habe, schilderte die Fortschritte, die der junge Poynings bei ihr gemacht und dass sie ihren alten Bewunderer vergessen hatte; zur Antwort erhielt ich einen Brief mit trefflichen Empfehlungen, die mir unfehlbar hilfreich waren.
Dem Schreiben stellte der liebenswerte Chevalier voran, dass er sich zur Zeit in Brüssel im Minoritenkloster 334 aufhalte, dass er erwäge, sich dort um sein Heil zu kümmern, für immer
der Welt zu entsagen und sich den strengsten religiösen Übungen zu unterziehen. Bis dahin wolle er jedoch noch über die schöne Witwe schreiben. Es sei natürlich, dass eine Person mit solch großem Vermögen, zudem keineswegs abstoßend, von vielen Bewunderern umgeben sei; und da sie sich zu Lebzeiten ihres Gatten die Bekundungen meiner Zuneigung durchaus hatte gefallen lassen, könne ich ganz sicher sein, dass ich weder der Erste war, dem sie in dieser Weise ihre Gunst bezeugt hatte, noch der Letzte sein werde.
«Ich wünschte, mein lieber Junge»,
setzte er hinzu,
«dass die scheußliche Ächtung, die ich am Hals habe, und mein Entschluss, dieser Welt der Sünde und Eitelkeit gänzlich zu entsagen, mich nicht daran hinderten, Dir in dieser heiklen Krise Deiner Angelegenheiten persönlich zu Hilfe zu kommen; denn um sie zu einem guten Ende zu bringen, sind mehr als die unbezwingliche Courage, Prahlerei und Kühnheit nötig, von denen Du mehr besitzt als jeder andere junge Mann, den ich jemals
kennengelernt habe.» (Was die «Prahlerei» angeht, wie es der Chevalier nannte, so leugne ich sie in toto , 335 da ich in meinem Betragen immer überaus bescheiden gewesen bin.) «Zwar hast Du die nötige Kraft, aber es fehlt Dir der Einfallsreichtum, um die einzelnen Schritte für die Durchführung eines Plans auszuarbeiten, der wahrscheinlich langwierig und beschwerlich
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