Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...
«Teuerste Madam», sagte ich, «treiben Sie einen verzweifelten Sklaven mit Ihrer Grausamkeit nicht zu unheilvollen Schritten. Ich bete Sie an. Früher einmal haben Sie mir gestattet, Ihnen meine Leidenschaft ungehemmt ins Ohr zu flüstern; jetzt verjagen Sie mich von Ihrer Tür, lassen meine Briefe unbeantwortet und ziehen mir einen anderen vor. Mein Fleisch und Blut können solch eine Behandlung nicht ertragen; betrachten Sie die Strafe, die ich bereits verabreichen musste, zittern Sie ob der Züchtigung, die ich diesem unseligen jungen Mann vielleicht noch werde zufügen müssen; so wahr er sie heiratet, Madam, so wahr wird er sterben.»
«Ich wüsste nicht», sagte die Witwe, «dass Sie auch nur das geringste Recht hätten, der Gräfin Lyndon etwas vorzuschreiben; Ihre Drohungen kann ich weder verstehen, noch kümmern sie mich. Was sollte sich denn zwischen mir und einem irischen Abenteurer zugetragen haben,
was diese unverschämte Zudringlichkeit rechtfertigen könnte?»
«Diese hier haben sich zugetragen, Madam», sagte ich, «Calistas Briefe an Eugenio. Sie mögen ganz harmlos gewesen sein, aber wird die Welt das glauben? Vielleicht wollten Sie nur mit dem Herzen des armen, einfältigen irischen Gentlemans spielen, der Sie verehrt und Ihnen vertraut hat. Wer wird angesichts des unwiderlegbaren Zeugnisses Ihrer eigenen Handschrift an die Geschichte von Ihrer Unschuld glauben? Wer wird glauben, dass Sie diese Briefe aus bloßer Lust an der Koketterie und nicht unter dem Einfluss wirklicher Zuneigung geschrieben haben?»
«Schurke!», rief Mylady Lyndon. «Wie können Sie es wagen, diesen beiläufigen Briefen von mir eine andere Bedeutung beizumessen, als sie in Wirklichkeit haben?»
«Ich werde ihnen alles beimessen», sagte ich; «so groß ist die Leidenschaft, die mich für Sie erfüllt. Ich habe es geschworen – Sie müssen und werden mein sein! Hätte ich denn je etwas zu tun versprochen und versagt? Was soll ich Ihnen denn vorzugsweise schenken – eine Liebe, wie keine Frau sie je von einem Mann erfuhr, oder einen Hass, der nicht seinesgleichen hat?»
«Eine Frau meines Ranges, Sir, hat vom Hass eines Abenteurers, wie Sie einer sind, nichts zu befürchten», erwiderte die Dame, wobei sie sich kerzengerade aufrichtete.
«Schauen Sie sich Ihren Poynings an – war er Ihres Ranges? Sie sind der Grund für die Wunde dieses jungen Mannes, Madam, und hätte das Werkzeug Ihrer schrecklichen Grausamkeit nicht Nachsicht mit ihm empfunden, wären Sie die Urheberin seiner Ermordung geworden – ja, seiner Ermordung; denn bewaffnet eine Frau mit ihrer Treulosigkeit nicht den Gemahl, der den Verführer straft? Und ich betrachte Sie, Honoria Lyndon, als meine Gemahlin.»
«Gatte! Gemahlin! Sir!», rief die Witwe gänzlich verblüfft.
«Ja, Gemahlin! Gatte! Ich bin keine dieser armen Seelen, mit denen kokette Frauen spielen und die sie anschließend wegwerfen können. Sie möchten vergessen, was zwischen uns in Spa vorgefallen ist; Calista möchte Eugenio vergessen, aber ich werde Sie mich nicht vergessen lassen. Sie haben gemeint, Sie könnten mit meinem Herzen spielen, nicht wahr? Wenn es einmal bewegt ist, Honoria, dann für immer. Ich liebe Sie – liebe Sie jetzt so leidenschaftlich wie damals, als meine Leidenschaft aussichtslos war,
und nun, da ich Sie gewinnen kann, meinen Sie, ich würde auf Sie verzichten? O grausame, grausame Calista! Wie wenig kennen Sie die Macht Ihrer eigenen Reize, wenn Sie glauben, deren Wirkung ließe sich so einfach tilgen – wie wenig kennen Sie die Beständigkeit dieses lauteren und edlen Herzens, wenn Sie glauben, es könnte aufhören, Sie anzubeten, da es doch einmal geliebt hat. Nein! Ich schwöre bei Ihrer Grausamkeit, dass ich mein Herz rächen werde, bei Ihrer wundersamen Schönheit, dass ich diese gewinnen und ihrer würdig sein werde. Liebliche, faszinierende, unstete, grausame Frau! Sie werden mein sein – das schwöre ich! Ihr Reichtum mag groß sein, aber bin ich nicht großmütig genug, ihn würdig auszugeben? Ihr Rang ist erhaben, aber nicht so erhaben wie mein Ehrgeiz. Sie haben sich einmal an einen kalten, kraftlosen Wüstling fortgeworfen; schenken Sie sich jetzt, Honoria, einem Mann , und zwar einem, der Ihren Rang, so erhaben dieser auch sei, erhöhen und schmücken wird!»
Während ich diese und andere Worte über die erstaunte Witwe ergoss, stand ich über sie gebeugt, fesselte sie mit der Kraft meiner Blicke, sah sie rot und bleich werden vor
Weitere Kostenlose Bücher