Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...
Furcht und Staunen, sah, dass meine Preisung ihrer Reize
und die Darlegung meiner Leidenschaft ihr nicht unwillkommen waren, und bemerkte in stillem Triumph, dass ich die Herrschaft über sie zu gewinnen begann. Seien Sie gewiss, dass Schrecken kein schlechtes Ingrediens der Liebe ist. Ein Mann, der das Herz einer schwachen und launischen Frau mit aller Kraft gewinnen will, muss einfach Erfolg haben, wenn sich ihm nur genügend Gelegenheit bietet.
«Schrecklicher Mann!», sagte Lady Lyndon; sie wich vor mir zurück, sobald ich aufhörte zu sprechen (und wirklich fehlten mir in diesem Moment die Worte, und ich überlegte, was ich ihr weiter sagen konnte), «schrecklicher Mann! Verlassen Sie mich.»
Diesen wenigen Worten entnahm ich, dass ich Eindruck auf sie gemacht hatte. «Wenn sie mich morgen ins Haus lässt», sagte ich mir, «ist sie mein.»
Als ich hinunterging, drückte ich dem Pförtner zehn Guineen in die Hand; er wirkte sehr erstaunt ob solch eines Geschenks.
«Das ist die Entschädigung für die Mühe, mir die Tür zu öffnen», sagte ich. «Sie werden das jetzt häufig tun müssen.»
KAPITEL 16
Ich sorge edelmütig für meine Familie und erreiche den Gipfel meines (scheinbaren) Glücks
Als ich am nächsten Tag wiederkehrte, geschah, was ich befürchtet hatte; mir wurde der Eintritt verwehrt – Mylady sei nicht zu Hause. Ich wusste, dass dies nicht stimmte: Ich hatte die Tür den ganzen Morgen von einer im Haus gegenüber gemieteten Wohnung aus beobachtet.
«Die Lady ist nicht ausgegangen», sagte ich, «Sie lässt sich vor mir verleugnen, und natürlich kann ich mir den Zutritt nicht mit Gewalt erzwingen. Aber hören Sie, sind Sie Engländer?»
«Bin ich», sagte der Kerl mit höchst anmaßender Miene. «Das hören Euer Ehren doch an meinem Hackzent. 339 »
Ich wusste, dass er Engländer war und dass ich daher versuchen könnte, ihn zu bestechen. Ein irischer Familiendiener in Lumpen hätte einem, auch wenn man ihm stets den Lohn schuldig blieb, das Geld wahrscheinlich ins Gesicht geworfen.
«Dann hören Sie zu», sagte ich. «Myladys Briefe gehen durch Ihre Hände, nicht wahr? Eine Krone für jeden, den Sie mir zu lesen geben. In der nächsten Straße ist ein Whiskeyladen.
Bringen Sie sie dahin, wenn Sie einen trinken gehen, und fragen Sie nach Dermot – so heiße ich dort.»
«Ich kenne Euer Ehren noch aus Spa», sagte der Kerl mit einem Grinsen. «Sieben ist Trumpf, heh?» Er war ganz stolz auf diese Erinnerung, und ich verabschiedete mich von dem Lümmel.
Diese Praxis, im Privatleben fremde Briefe zu öffnen, will ich nicht rechtfertigen, außer in Fällen größter Dringlichkeit, in denen wir dem Beispiel Höherer, der Staatsmänner ganz Europas, folgen und um eines größeren Guts willen gegen eine kleine Frage der Ziemlichkeit verstoßen müssen. Mylady Lyndons Briefe wurden durchs Öffnen nicht schlechter, die Kenntnisse, die ich durch die Lektüre einiger ihrer mannigfaltigen Episteln gewann, jedoch erheblich besser, was mir erlaubte, auf hunderterlei Art mit ihrem Wesen vertraut zu werden und Macht über sie zu erlangen, die auszunutzen ich nicht zögerte. Mit Hilfe der Briefe und meines englischen Freunds, den ich immer mit dem besten Schnaps versorgte und – noch besser – mit Geldgeschenken zufriedenstellte (zu den Treffen mit ihm trug ich eine Livree und eine rote Perücke, unter der man den schneidigen und eleganten Redmond Barry unmöglich erkennen
konnte), erhielt ich solch tiefen Einblick ins Treiben der Witwe, dass es sie in Erstaunen versetzte. Ich wusste im Voraus, an welchen Orten sie sich unter Menschen begeben würde – da sie sich noch in Witwentrauer befand, waren dies nicht viele –, und egal wo sie erschien, in der Kirche oder im Park, war immer auch ich da, um ihr das Gesangbuch zu reichen oder zu Pferd neben ihrem Wagen einherzutraben.
Viele von Myladys Briefen waren die absonderlichsten Fantastereien, die je ein Blaustrumpf abgefasst hat. Sie begann und verwarf mehr innige Freundschaften als jede andere Frau, die ich kannte. Manchen dieser liebsten Freundinnen schrieb sie bald über meine Schlechtigkeit, und mit einem Gefühl höchster Befriedigung stellte ich allmählich fest, dass die Witwe schreckliche Angst vor mir entwickelte; sie nannte mich ihre bête noire , 340 ihren düsteren Spuk, ihren mörderischen Verehrer und gab mir tausend weitere Namen, die von höchster Besorgnis und Entsetzen zeugten. So etwa: «Der Unhold ist meinem Wagen durch
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