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Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...

Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...

Titel: Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manesse-Verlag
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froh über eine Ausrede, die es ihm erlaubte, das Feld ganz zu räumen, da er keineswegs begierig war, sich ein zweites Mal Redmond Barrys siegreichem Degen zu stellen.
    Als entweder die Nachricht, dass Poynings in Lebensgefahr schwebe, oder aber die Vorwürfe, die er der Witwe meinetwegen vermutlich gemacht hatte, diese überaus schwache und wankelmütige Frau wie von mir erwartet nach Dublin führten und mein braver Ulick mich von ihrem Eintreffen in Kenntnis setzte, verließ ich meine gute Mutter, die nun durchaus mit mir versöhnt war (dies hatte übrigens das Duell bewirkt), um festzustellen, dass die untröstliche Calista ihrem verwundeten Galan Besuche abzustatten pflegte – sehr zum Ärger dieses Gentlemans, wie mir die Diener erzählten.
Die Engländer sind in Sachen Förmlichkeit oft absurd hochmütig und ungnädig; wegen des Betragens seiner Verwandten schwor Lord Poynings, er wolle nichts mehr mit ihr zu tun haben.
    Ich erhielt diese Auskunft von Seiner Lordschaft Kammerdiener, mit dem auf gutem Fuß zu stehen ich mir, wie gesagt, besondere Mühe gab; und wie gewohnt verweigerte mir auch der Pförtner nicht den Zutritt, als ich mich zu einem Besuch entschloss.
    Wahrscheinlich hatte Mylady ihn ebenso bestochen wie ich, denn obwohl sie keinen Zugang haben sollte, hatte sie den Weg treppauf gefunden; übrigens war ich ihr von ihrem Haus zur Wohnung von Lord George Poynings gefolgt und hatte sie aus der Sänfte steigen und hineingehen sehen, ehe auch ich dies tat. Ich hatte die Absicht, ganz ruhig im Vorzimmer zu warten, um ihr dort eine Szene zu machen und sie, wenn nötig, der Untreue zu zeihen; wie sich aber herausstellte, entwickelte sich für mich alles sehr viel angenehmer. Als ich unangekündigt in den Vorraum der Wohnung Seiner Lordschaft trat, wurde mir die Wonne zuteil, aus dem nächsten Raum, dessen Tür nur angelehnt war, die Stimme meiner Calista zu hören. Laut und mit allem Nachdruck appellierte
sie an den armen Patienten, der dort an sein Bett gefesselt lag, und gab sich überaus leidenschaftlich.
    «Was kann Sie, George, nur dazu bringen», sagte sie, «an meiner Treue zu zweifeln? Wie können Sie mir das Herz brechen, indem Sie mich so harsch von sich stoßen? Wollen Sie Ihre arme Calista ins Grab stürzen? Gut, ich werde mich dann dort mit dem lieben verblichenen Engel vereinen.»
    «Der seit drei Monaten dort liegt», sagte Lord George und zog eine Grimasse. «Ein Wunder, dass Sie so lange überlebt haben.»
    «Seien Sie doch nicht so grausam zu Ihrer armen Calista, Antonio!», rief die Witwe.
    «Pah!», sagte Lord George. «Meine Wunde tut weh. Meine Ärzte verbieten mir lange Gespräche. Nehmen Sie doch einfach an, Ihr Antonio sei müde, meine Liebe. Können Sie sich nicht mit einem anderen trösten?»
    «Lieber Himmel, Lord George! Antonio!»
    «Trösten Sie sich doch mit Eugenio», sagte der junge Adlige bitter und begann zu läuten. Darauf erschien sein Diener aus einem Nebenzimmer, und er bat diesen, Mylady nach unten zu geleiten.
    Lady Lyndon verließ den Raum in höchster
Erregung. Sie war in Trauerkleidung, hatte einen Schleier vor dem Gesicht und erkannte die Person nicht, die da im Vorzimmer wartete. Als sie die Treppe hinunterging, folgte ich ihr ganz leise, und als ihr Lakai ihr die Tür öffnete, sprang ich hinzu und ergriff ihre Hand, um ihr in die Sänfte zu helfen. «Teuerste Witwe», sagte ich, «Seine Lordschaft hatte ganz recht. Trösten Sie sich mit Eugenio!» Sie war so erschrocken, dass sie nicht einmal aufschrie, als die Sänftenträger sie fortbrachten. Sie wurde vor ihrem Haus abgesetzt, und natürlich stand ich wie zuvor bereit, ihr aus der Sänfte zu helfen.
    «Sie Ungeheuer!», sagte sie. «Ich will, dass Sie gehen.»
    «Madam, damit verstieße ich gegen meinen Schwur», erwiderte ich. «Denken Sie an den Eid, den Eugenio Calista geschickt hat.»
    «Wenn Sie nicht gehen, rufe ich die Dienstboten, dass sie Sie verjagen.»
    «Was denn! Wo ich mit den Briefen meiner Calista in der Tasche gekommen bin, um sie vielleicht zurückzugeben? Sie können Redmond Barry beschwichtigen, Madam, aber nicht erschrecken. »
    «Was wollen Sie denn überhaupt von mir, Sir?», sagte die Witwe ganz aufgeregt.

    «Lassen Sie mich eintreten, dann will ich Ihnen alles erklären», antwortete ich, und sie ließ sich herab, mir die Hand zu reichen und zu gestatten, dass ich sie von der Sänfte in ihren Salon führte.
    Als wir allein waren, öffnete ich mich ihr ganz ehrenhaft.

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